"Kunst gegen Bares" in Düsseldorf - wo die Kleinkunst gefeiert wird
Die offene Bühne als Erfolgsrezept: Bei „Kunst gegen Bares“ im Biergarten Vierlinden darf jeder zeigen, was er kann.
Düsseldorf. „Alles ist erlaubt — du darfst auf der Bühne machen, was du willst — nur nicht langweilen.“ Mit diesen Worten fasst Alexander Franck, Inhaber der Agentur Redensart und seit vier Jahren Veranstalter der ganzjährigen Reihe „Kunst gegen Bares“, die Spielregeln zusammen. „Ich bin aber nur Gast hier, kein Künstler“, kommentiert ein Vorübergehender irritiert.
Szenen wie diese spielen sich im Biergarten „Vier Linden“ des Öfteren ab, wenn der 39-jährige Agenturchef an einem Stehtisch die Ankömmlinge begrüßt. Denn die fehlende Trennschärfe ist Teil des Konzepts. Bei der „offenen Bühne“ sind die Grenzen zwischen Zuschauern und Akteuren fließend. Regel Nummer eins: „Zuschauer und Künstler kommen denselben Weg und sitzen zusammen im Publikum.“ Erst der Moderator (Regel Nummer zwei) „holt die Künstler aus dem Publikum auf die Bühne“. Und das unter tosendem Applaus und mit einem kurzen, aber sehr lauten Musik-Einspieler.
Comedian, Magier, Musiker, Poetry-Slammer — welches Genre die Künstler vertreten und welche Künstler überhaupt auftreten, ist geheim. Bis zuletzt. Bis sie auf die Bühne gerufen werden. Und die Bühne ist gerade einmal 30 Zentimeter hoch — wohl ähnlich flach wie die Hemmschwelle für die Akteure sein soll. „Ich brauche ein Trampolin, um hier meinen Job zu machen“, witzelt Moderator Jan Preuß über seine fehlende Körperlänge. Der gelernte Erzieher (24) führt durchs Programm. Er ist inzwischen hauptberuflicher Comedian und selbst Teil der Show. Auch als Moderator ist er kein fester Bestandteil der wöchentlichen Veranstaltungen, sondern ein austauschbarer Teilnehmer.
„Wer ist denn heute zum ersten Mal hier?“ fragt Preuß in die Runde. Julia Marre (36) und Adam Strzyz (38) melden sich zu Wort. „Wir! Gefunden haben wir euch, weil wir im Internet nach ‚open stages’ gesucht haben.“ Als Solo-Gitarrist will Zuschauer Adam Strzyz beim nächsten Mal selbst auftreten. „Mit einer Fingerstyle-Technik, die verschiedene Instrumente auf seiner Gitarre simuliert. Percussion, Bass- und Gesang-Linie will er spielen, ohne zu singen. „Wenn ich gewusst hätte, dass es so ein Format gibt, hätte ich hier bestimmt schon früher mitgemacht“, sagt der zweifache Vater, der als vollberufstätiger Controller eines ortsansässigen Energiekonzerns tätig ist und bei „Kunst gegen Bares“ zum ersten Mal sein Hobby vor Publikum ausleben will. „Für mich ist das qualtity-time.“
Pianist Jong Do, Künstlername Jiando, der kurz darauf mit „Una Mattina“, einem melancholischen Ludovico-Einaudi-Stück, und zwei Eigenkompositionen für Gänsehaut sorgt, ist dabei, „um Erfahrungen zu sammeln.“ Der 38-jährige Vietnamese musiziert sonst eher im Hintergrund — in der Interconti-Hotelbar, in Restaurants und Cafés.
„Oft erwachsen große Karrieren aus der Kleinkunstszene“, weiß Kim (45) aus Düsseldorf. „Wie Chris Tall zum Beispiel, der 2016 den Comedypreis als bester Newcomer bekam“, sagt der begeisterte Kulturfreund, „ihn habe ich auch bei KGB (Kunst gegen Bares) zum ersten Mal gesehen. In Köln.“ Künstler im Werden zu erleben, sei toll.
„Und ihr rastet jetzt bitte zum letzten Mal aus — für Franzi Rockzz“, brüllt Moderator Preuß ins Mikro, bevor die stimmgewaltige Musikerin jede Ablenkung aus den Köpfen des Publikums singt. Rockzz gewinnt den Wettbewerb des Abends. Denn ihr Sparschwein füllt sich am meisten nach Preuß’ Aufruf: „Ran an die Schweine! Künstler, die viel Geld bekommen, neigen dazu, wiederzukommen!“ Hintergrund: Für die Künstler stehen während des gesamten Abends durchnummerierte Sparschweine auf dem Bühnenrand. Die gilt es, zu befüllen, wenn das Bühnenprogramm vorbei ist. „Zuschauer werden zu Kunstmäzenen. Und der Sieger zum Kapitalistenschwein“, sagt Veranstalter Franck.
Wer als Gast oder Künstler mitmachen will, trifft am Mittwoch an der Siegburger Straße 25, 20 Uhr (Einlass ab 19 Uhr), auf Gleichgesinnte. Anmeldungen sind bis eine Stunde vor Show-Beginn möglich. Ein Auftritt dauert „gefühlte sieben Minuten“, sagt Franck. „Es gab auch schon spontane Auftritte“, sagt der Veranstalter. „Dann werden die Abende etwas länger.“ Wartelisten gebe es auch manchmal. Das variiere. „Kunst gegen Bares“ findet noch bis 5. September jeden Mittwoch im Biergarten „Vierlinden“ statt (Ausnahme Donnerstag, 10. August). Danach ist die Bühne für junge und ältere Talente wieder in der Altstadt im Tube.