Lichtblicke: Auf dem Sprung zum Abitur
Drei Hauptschüler machen klar, warum sie es auf dem Gymnasium schaffen können.
Düsseldorf. Alexandra Bacalhau da Silva hat sich fein gemacht. Heute, an ihrem letzten Schultag, trägt sie ein schickes schwarzes Kleid und Schuhe mit Absatz. Die 16-Jährige strahlt über das ganze Gesicht. Sie hat es geschafft, hat es allen gezeigt und wird ab dem 11. August Gymnasiastin sein.
Alexandra ist Hauptschülerin und gehört damit, ohne dass sie sich dagegen wehren kann, zu einer gesellschaftlichen Gruppe, von welcher wenig erwartet und viel geredet wird. Jeder kennt die Szenarien von den lernunwilligen Jugendlichen und den frustrierten Lehrern. Kleine Erfolgsgeschichten wie die von Alexandra gehen da leicht unter, obwohl sie die wahren Lichtblicke der Pädagogen sind.
Gabriele Lamottke leitet die Dumont-Lindemann-Hauptschule in Bilk, wo in diesem Jahr neun Schüler die Qualifikation fürs Gymnasium geschafft haben. Vier davon wollen den Schritt nun wagen.
"Lichtblicke", sagt die Direktorin, "die gibt es immer wieder." Manchmal sei sogar überraschend schnell klar, welch klugen Kopf die Lehrerschaft da vor sich hat. Alexandra zum Beispiel war von Anfang an eine sehr gute Schülerin.
Im vergangenen Jahr wurde sie vom Oberbürgermeister als eine der beste Schülerinnen Düsseldorfs ausgezeichnet, zwei Mal boten ihr die Lehrer an, auf die Realschule zu wechseln. Doch das Mädchen wollte seine Freunde nicht verlassen. "Und ich hatte Angst, dass ich es auf der neuen Schule nicht schaffe."
Heute ist sie selbstbewusster, hat einen Notendurchschnitt von 1,6 und träumt davon, als Augenärztin zu arbeiten. "Ich hab’ mich schon immer gefragt, was Alexandra eigentlich auf einer Hauptschule macht", sagt ihr Mitschüler Andreas Szklaryk anerkennend. Er ist vor fünf Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen, sprach kaum Deutsch und kein Englisch.
Sein erstes Jahr an der Bilker Hauptschule verbrachte er in einer der üblichen Seiteneinsteigerklassen, in denen ausländische Kinder im Eilverfahren für das deutsche Schulsystem tauglich gemacht werden. "Ich wusste, dass ich etwas erreichen kann, aber dass man sich dafür anstrengen muss."
Andreas mauserte sich rasch zu einem guten Schüler. Wie Alexandra hat auch er sich am Georg-Büchner-Gymnasium angemeldet. Das Aufbau-Gymnasium hat sein Konzept auf die Bedürfnisse derjenigen Haupt- und Realschüler ausgerichtet, die das Abitur schaffen wollen. Die Schule ist beliebt, weil es heißt, dass man dort nicht so leicht untergeht.
"Ein Aufbau-Gymnasium ist angemessen für uns", sagt Andreas. Denn trotz glänzender Leistung gehört eine große Portion Mut dazu, den Sprung auf die höhere Schule zu wagen und es dort mit einem neuen Lerntempo aufzunehmen. Da tut es gut, wenn man nicht alleine ist. "Wenn wir zusammen sind, können wir einander helfen", sagt Sikander Khan, der aufs Lessing-Gymnasium wechseln wird und ganz froh ist, dass ein paar Freunde von der Realschule mitgehen.
"Wir müssen uns erst einmal an alles gewöhnen", sagt der 16-Jährige. Auch an die neuen Klassenkameraden, die Gymnasiasten. "Dass sie nett sind", davon geht Alexandra zunächst einmal aus. Vorurteile hat sie nicht und erwartet dieselbe Toleranz von ihren zukünftigen Mitschülern. Und wenn sie doch kommen, die blöden Bemerkungen? "Es gibt ja auch Gymnasiasten, die zu uns auf die Hauptschule kommen. Das ist der Weg von oben nach unten. Wir steigen hingegen jetzt auf. Das ist doch schon mal was. Oder?"