Hallenhockey Wie der DHC Deutscher Hockey-Meister wurde
Düsseldorf · Eigene Talente statt großer Namen — der Hockeyverein vom Seestern setzt auf den Nachwuchs und eine gute Betreuung. Das will er auch in Zukunft so machen.
So ein Titel bringt immer allerlei Verpflichtungen mit sich. Das haben die Hockeyspielerinnen des Düsseldorfer HC dieser Tage wieder festgestellt. Interviews, Selfies und Autogramme auf dem Spielfeld, gefolgt von Siegerehrung und Meisterfoto, danach ging es zum Empfang ins Klubhaus am Seestern, am Montagnachmittag wartete der Bürgermeister im Rathaus. Man wird ja nicht ständig Deutscher Meister.
Auch dieses Jahr war im Finale gegen den Club an der Alster aus Hamburg nicht alles glatt gelaufen. Nach sechs Minuten stand es 0:3, der DHC nutzte keine seiner sechs Strafecken, aber das Schicksal meinte gut mit den Oberkasselerinnen. 5:5 nach regulärer Spielzeit, 2:1 im Penaltyschießen. Nach der letzten Parade von Torhüterin Nathalie Kubalski rannte alles wild durcheinander, Jubelschreie, geballte Fäuste. „Hier fällt gerade alles von vier Jahren ab“, sagte Angreiferin Greta Gerke.
„Wir verfolgen unseren Plan losgelöst von Ergebnissen“
Auch Trainer Nico Sussenburger schrie seine Freude heraus. Das ganze Spiel über war er am Spielfeldrand auf und ab gegangen, hatte gerufen und geredet und geschimpft und gejubelt. Trotzdem stand er wenige Minute später recht aufgeräumt in der Interview-Zone der Mülheimer Halle und sagte: „Wir verfolgen unseren Plan losgelöst von einzelnen Ergebnissen, weil es nicht planbar ist, was in K.o.-Spielen passiert.“
Dieser Plan basiert vor allem auf der Jugendarbeit. Zahlreiche Meisterspielerinnen sind am Seestern groß geworden, andere kamen bereits mit 16 Jahren aus Nachbarstädten dazu. „Damals waren wir noch in der zweiten Liga. Wir haben über Jahre Training für Training etwas aufgebaut, dafür belohnt zu werden, macht uns alle stolz“, sagte Nationalspielerin Selin Oruz, die gemeinsam mit Annika Sprink und der mittlerweile nicht mehr beim DHC spielenden Lisa Marie Schütze 2016 in Rio Olympia-Bronze gewann.
Aus der Jugend für die Jugend, der DHC als ewiger Kreislauf
Geht es nach Sussenburger, wird 2020 in Tokio auch Elisa Gräve dabei sein. Die 22-Jährige erzielte im Finale zwei Tore und wurde zur besten Spielerin ernannt. Auch sie hat das Hockeyspielen beim DHC gelernt. Und das nächste Talent ist bereits dabei, sich festzuspielen, die 17-jährige Lisa Nolte, die im Sommer aus Krefeld kam.
Mit seinem selbst aufgebauten Team erfolgreich zu sein, freut Sussenburger besonders. Er habe kein Problem damit, wenn sich die Konkurrenz Nationalspielerinnen aus Argentinien, den Niederlanden oder Polen einkauft, „aber das ist nicht unsere Klubstrategie“.
Zwar hat auch der DHC für die Feldsaison eine Irin verpfichtet, aber grundsätzlich gehe es nicht darum, Topspielerinnen für ein Jahr zu holen, „wir wollen sie vier, fünf oder sechs Jahre hier haben“, im Idealfall heiße es: aus der Jugend für die Jugend. Wer von hier komme, sei eher dazu bereit, selbst eine Jugendmannschaft zu trainieren. Ein ewiger Kreislauf, so stellt sich Sussenburger den DHC vor.
Mit Frauenhockey lässt sich nur ein Taschengeld verdienen
Natürlich werde es der Verein „nicht jedes Jahr schaffen, fünf Talente in die erste Mannschaft zu integrieren, aber ein bis zwei pro Jahrgang“, sagt Sussenburger. „Dann ist es auch nicht tragisch, wenn hin und wieder eine Spielerin aus Studiengründen weggeht.“ Das kommt immer wieder vor, wie bei Lisa Marie Schütze. Zwar können auch viele Spieler der Männer-Bundesliga nicht von ihrem Sport leben, die Gehälter haben sich in den vergangenen Jahren aber deutlich nach oben entwickelt, mit Frauenhockey lässt sich dagegen auch auf höchstem Niveau nur ein Taschengeld verdienen.
Ein Großteil des DHC-Teams studiert oder ist in der Ausbildung. Glück hat, wer so populär ist wie Selin Oruz, die eins der Hockey-Gesichter für einen großen Sportartikelhersteller ist und einen persönlichen Sponsoringvertrag hat. Ausgesorgt hat sie deswegen natürlich nicht, auch sie studiert.
„Monetäre Gründe sind für Frauen bei der Vereinsauswahl nicht so entscheidend“, sagt Sussenburger. Umso wichtiger sei es, den Spielerinnen drumherum alles zu bieten: sportliche Perspektive, medizinische Betreuung, Hilfe bei Wohnung und Auto, Kontakte in die Wirtschaft für Praktika oder Jobs.
Auch auf dem Feld steht der DHC ganz oben
Der DHC punkte vor allem über sein sportliches Angebot. Die Anlage ist neu, das Team rund um das Team ist groß. Neben Sussenburger gibt es in Mark Spieker einen renommierten Co-Trainer, hinzu kommen Athletiktrainer, Ärzte, Physiotherapeuten, Betreuer. Finanziert wird das auch über öffentliche Gelder. Die Agentur „Sportstadt Düsseldorf“ steckt einen fünfstelligen Betrag pro Jahr in den DHC, das Geld fließt fast ausschließlich in das Frauen-Team. Seit Jahren das Aushängeschild des Vereins.
So soll es auch draußen weitergehen. Die Hinrunde auf dem Feld beendete der DHC ungeschlagen an der Tabellenspitze. Doch Stürmerin Greta Gerka warnt vor zu hohen Erwartungen: „Feld und Halle sind zwei paar Schuhe.“ Auch Sussenburger bittet um Gelduld. Die Hamburger Teams seien weiter, „wir sind zwar konkurrenzfähig, aber nicht so tief besetzt“. Umso wichtiger sei der Erfolg in der Halle: Der habe dem jungen Team gezeigt, dass es auch große Spiele gewinnen kann. „Das gibt uns einen Riesenschwung.“