Bildungssystem Mehr als 80 Lehrer fehlen an den Düsseldorfer Grundschulen
Düsseldorf · Von den zu Beginn des Schuljahres ausgeschriebenen 175 Lehrerstellen konnten 89 nicht besetzt werden. Unterricht fällt zwar nicht aus, aber individuelle Förderung und Qualität bleiben auf der Strecke. Die Gewerkschaft spricht von Mangelverwaltung.
Max hat es besonders hart erwischt: In vier Jahren Grundschulzeit hatte er sechs Klassenlehrerinnen. Immer wieder gingen seine Bezugspersonen in Elternzeit oder fielen wegen Schwangerschaften und Beschäftigungsverboten kurzfristig aus. Auch an anderen Schulen müssen wegen fehlender Lehrer ganze Klassen zusammengelegt werden. Denn fällt eine Lehrkraft aus, können die Lücken im Lehrerkollegium bei der ohnehin dünnen Personaldecke und den fehlenden Bewerbern auf freie Stellen kaum wieder gefüllt werden. Mehr als 80 Lehrer fehlen aktuell an den insgesamt 89 Düsseldorfer Grundschulen, etwa jede zehnte Lehrerstelle ist nicht besetzt.
Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist die Lage besorgniserregend. „Früher hatten wir auf eine Stelle 20 bis 30 Bewerber, heute sind es gerade mal drei“, sagt Monika Maraun, Sprecherin des Stadtverbandes. „Und weil es so wenige Bewerber gibt, können sich die wenigen die Stelle aussuchen.“ Das führe dazu, dass einige Schulen stärker mit dem Lehrermangel zu kämpfen hätten als andere - Schulen im Düsseldorfer Norden lägen mehr im Fokus der Bewerber.
Mehr und mehr Seiteneinsteiger werden gesucht
Weil der Markt keine ausgebildeten Lehrer mehr hergibt, werden Stellen in den Fächern Englisch, Sport, Musik und Kunst auch für Seiteneinsteiger geöffnet, dazu gelten Personen, die keine Lehrerausbildung haben, aber einen Hochschulabschluss für das ausgeschriebene Fach vorweisen können. „In der Theorie dürfen diese Seiteneinsteiger dann auch nur für das ausgeschriebene Fach eingesetzt werden. Aber das lässt das Grundschulsystem einfach nicht zu“, sagt Maraun als Sprecherin der GEW Düsseldorf. Seiteneinsteiger müssten im Schulalltag auch in den anderen Fächern eingesetzt werden. Aber nicht ohne eine entsprechende Einarbeitungszeit. „Natürlich müssen Personen, die bisher nichts mit Schule zu tun hatten, an die Hand genommen werden“, sagt die GEW-Sprecherin. Das müssten dann wiederum Lehrer übernehmen, die laut Maraun als „Systembegleiter und Ratgeber“ stark überlastet seien. „Das ist alles Mangelverwaltung“, kritisiert sie. An immer mehr Schulen seien auch pensionierte Lehrer und Studierende im Einsatz. „Um sie herum wird der Stundenplan gebaut.“
Auswirkungen dieser „Mangelverwaltung“ bekommen die Eltern selten direkt zu spüren. Denn Unterricht auf dem Stundenplan darf in den Grundschulen nicht ausfallen. „Aber Fakt ist, dass bei dieser Personalsituation die Qualität leidet“, sagt die GEW-Sprecherin. Kleine Gruppen, die gerade an der Grundschule so wichtig seien, um die individuelle Förderung zu gewährleisten, müssen zusammengelegt werden. „Die Fachversorgung fehlt. Oftmals gibt es an den Schulen nur eine Lehrerin für katholische Religion. Sie muss dann flächendeckend eingesetzt werden.“
Ein Tropfen auf den heißen Stein ist da der hohe Anteil der Teilzeitkräfte. Von den insgesamt 1832 Lehrkräften an Grundschulen in Düsseldorf sind 625 Lehrkräfte teilzeitbeschäftigt. „Aufgrund des hohen Teilzeitkräfteanteils, der aber natürlich familienpolitisch oder auch persönlich wünschenswert ist, wählt man mittlerweile Teams zur Klassenleitung“, sagt Maraun. Der früher einmal geltende Anspruch, dass jede Klasse vom ersten bis zum vierten Jahrgangsstufe eine Lehrerin als Bezugsperson behält, ist schon lange nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Laut der Gewerkschaft gibt es mehrere Gründe dafür, dass der Lehrerjob an Grundschulen so unattraktiv ist. Trotz gleichwertiger Ausbildung werde ein Grundschullehrer schlechter bezahlt als ein Lehrer an weiterführenden Schulen. Seit Jahren fordert die GEW deshalb eine Angleichung des Gehalts. Darüber hinaus betrage der Umfang einer Vollzeitstelle an der Grundschule 28 Stunden, an der weiterführenden Schule 25. Monika Maraun glaubt, dass vor allem Studenten Anreize geschaffen werden müssten, um den Einstieg in das Grundschullehramt zu finden – wie etwa die Möglichkeit eines dualen Studiums, bei dem die Studenten einen Teil ihrer Ausbildung bereits in der Schule verbringen. Oder aber auch die Vergütung des Praxissemesters. „Dann wäre der richtige Personenkreis im Boot zum Lehrerberuf“, sagt Maraun.
Das NRW-Schulministerium sucht aktuell auch mit einer Kampagne nach neuen Lehrern – und erläutert etwa im Internet die Voraussetzung und Möglichkeiten für Quereinsteiger, mehr Informationen hier: