Düsseldorfer Unternehmen Nicola Baumgartner: „Gelebte Inklusion ist kein Selbstläufer“
Bei Shuyao Teekultur sind 13 von 24 Mitarbeitern schwerbehindert.
Düsseldorf. Es war das außergewöhnlichste Bewerbungsschreiben, das Unternehmerin Nicola Baumgartner jemals auf dem Tisch hatte: „Wenn Sie mich einstellen, haben Sie jemanden, der während der Arbeit nicht so viel schwätzt.“ Die Bewerbung stammte von einer taubstummen Frau. Baumgartner wagte einen Versuch und lud die Bewerberin zum Gespräch ein. Das war 2011. Heute arbeiten 13 schwerbehinderte Mitarbeiter beim Teeproduzenten Shuyao, das sind mehr als 50 Prozent der Belegschaft. Für Baumgartner ist es zur Selbstverständlichkeit geworden. „Es muss einfach passen. Und das tut es bei uns.“
2006 machte sich Nicola Baumgartner nach einem Jahr Auszeit im Hinterland Chinas mit einer Tee-Lounge an der Kö selbstständig. Mittlerweile sitzt das Unternehmen an der Hildebrandtstraße in Friedrichstadt. Dort werden die verschiedenen Teekompositionen von Mitarbeitern nach genauen Vorgaben zusammengestellt und verschickt.
„Dass heute 50 Prozent der Belegschaft schwerbehindert sind, stand nicht in meinem Businessplan“, sagt Baumgartner. Mit der ersten taubstummen Mitarbeiterin sei ihr aber klar gewesen, dass weitere Kollegen folgen werden. „Man kommt hier morgens nicht rein und ist der Quotenbehinderte. Es gibt ein Team, selbst die Teamleitung ist hörgeschädigt. Alle begegnen sich auf Augenhöhe.“
Gelebte Inklusion sei aber kein Selbstläufer und müsse vom gesamten Team getragen werden. „Am Anfang benötigt es mehr Geduld und Beharrlichkeit, um die Stärken eines Kollegen mit Behinderung realistisch einschätzen zu können“, sagt sie. Die maximale Einarbeitungszeit beträgt zwei Jahre. „Dann muss klar sein, dass es funktioniert.“
Denn Nicola Baumgartner ist Unternehmerin, und Shuyao soll weiter wachsen. „Das ist hier keine Beschäftigungstherapie. Von jedem Mitarbeiter wird verlangt, dass er sich weiterentwickelt. Inwieweit, das wird mit jedem individuell besprochen.“
Aber nicht immer funktioniert es. „Meist junge Menschen kommen aus einer Überbetreuung“, sagt Baumgartner. Sie sind stark ans Elternhaus gebunden und schaffen es nicht, sich abzunabeln. Eine Mitarbeiterin hatte sich in der Einarbeitungszeit stündlich bei ihrer Mutter gemeldet. „Hier haben behinderte Menschen die Möglichkeit, wie alle anderen Mitarbeiter behandelt zu werden. Und dann gelten auch die gleichen Regeln.“
Katrin Kupke schätzt das. Sie ist gehörlos, seit 2013 im Unternehmen, hat die Teamleitung übernommen und mittlerweile einen unbefristeten Vertrag. Die 50-Jährige ist Ansprechpartnerin für alle Anliegen der Mitarbeiter. Zwei weitere Mitarbeiter sorgen für eine reibungslose Kommunikation. Denn: Nicht alle Mitarbeiter beherrschen oder verstehen die Gebärdensprache.
Baumgartner sucht weiter nach engagierten Mitarbeitern. Dabei sei es egal, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. „Es muss einfach passen.“