Interview „Nur anspruchslose Fischarten konnten in der Düssel überleben“

Düsseldorf · Mehr Bachforellen, weniger Stichlinge – und Zuwachs aus den USA und dem Schwarzen Meer: Thomas Loosen, Leiter des Umweltamts, erzählt, welche Fisch- und Krebsarten in der Düssel leben. Das Moderlieschen, das in der am Freitag erscheinenden Düssel-Flaneur-Kolumne eine Rolle spielt, kommt in Düsseldorf kaum vor.

Der Brückerbach in Wersten. Zu sehen ist eine Fischleiter, gebaut aus großen Steinen. Von links: Claus Bode und Thomas Loosen.

Foto: David Young

An der Karolingerstraße in Bilk konnte man vor rund 40 Jahren unschwer Stichlinge, auch Stachelditzges genannt, in der Düssel beobachten. Heute scheinen sie verschwunden zu sein. Woran liegt das?

Thomas Loosen: Dreistachlige Stichlinge sind weiterhin im Düsselsystem vorhanden. Allerdings hat ihr Bestand abgenommen. In den 1970er Jahren waren die Gewässer in NRW stark mit Nährstoffen belastet. Nur wenige anspruchslose Fischarten, wie auch der Stichling, konnten in dem sauerstoffarmen Wasser überleben. Durch die stetige Verbesserung der Wasserqualität und die Strukturverbesserungen an den Gewässern haben sich die Lebensbedingungen für anspruchsvolle Fischarten wie Bachforelle, Barbe und Koppe so entwickelt, dass diese heute wieder vorkommen, zu Ungunsten der Stichlinge.

Wie viele Fischarten sind inzwischen in der Düssel ansässig?

Loosen: In den vergangenen Jahren sind im Brückerbach und in der Südlichen Düssel folgende Arten neu hinzugekommen: Aland, Barbe, Flussneunauge, Kaulbarsch, zwei Grundelarten, Nase, Rapfen und Zährte. Demnach wären zusammengenommen 26 Fischarten im Düsselsystem zu finden. Bei der letzten systematischen Befischung der vier Düsselarme in den Jahren 2004 und 2005 wurden mittels Elektrobefischung bereits insgesamt 17 Fischarten nachgewiesen. In allen vier Armen wurden die Fischarten Bachforelle, Döbel, Dreistachliger Stichling, Gründling, Koppe, Rotauge und Schmerle festgestellt.
Zahlenmäßig waren die drei Kleinfischarten Koppe, Dreistachliger Stichling und Gründling am häufigsten vertreten. Auffällig waren schon damals die guten Bestände an Bachforelle, Dreistachligem Stichling, Koppe und Schmerle in der Südlichen Düssel. Bemerkenswert sind die Einzelfunde von Meerforelle, Karausche und Schleie. Diese kommen im Stadtgebiet Düsseldorf nur noch selten vor.

Vom Rhein ins Düssel-Delta aufsteigen können Fische jedoch nichts so ohne weiteres. Ein Fischaufstieg in das Düsselsystem ist nur über den Brückerbach möglich. Im weiteren Verlauf – ab der Werstener Dorfstraße – wird der Brückerbach dann Teil der Südlichen Düssel. In Gerresheim schließlich befindet sich das Spaltbauwerk, wo die Düssel in die Südliche und die Nördliche Düssel aufgeteilt wird.

Gibt es zwischen Gerresheim und dem Neandertal noch Hindernisse?

Loosen: Ein Durchwandern bis ins Neandertal ist aufgrund vorhandener Querbauwerke im Kreisgebiet Mettmann noch nicht möglich. Nachdem die Fischaufstiegsanlagen im Brückerbach eingerichtet worden waren, wurde allerdings 2009 und 2010 der Fischaufstieg bis in die Südliche Düssel an der Werstener Dorfstraße untersucht. Demnach kommen aus dem Rhein Fischarten wie Aal, Aland, Barbe, Brassen, Kaulbarsch, Nase, Flussneunauge, Rapfen und Zährte an. Auch neueingewanderte Grundelarten wurden festgestellt. Lachse wurden damals nicht nachgewiesen.

Stören sich Fische an den dunklen, verrohrten Düssel-Abschnitten?

Loosen: Ob ein verrohrter Abschnitt von Fischen durchwandert wird, hängt von der Länge des Durchlasses und auch von der Fischart ab. Kürzere Abschnitte von 10 bis 20 Metern, zum Beispiel unter Straßen, werden von Fischen durchschwommen. Längere Abschnitte werden nur von schwimmstarken Fischen wie der Bachforelle, dem Aal, der Nase und der Barbe durchschwommen. Von Vorteil ist es, wenn der Durchlass belichtet ist, wenn also durch ein „Fenster“ noch Licht in den Schacht eindringt. Dies dient den Fischen zur besseren Orientierung.  Schwimmschwache Fischarten durchwandern längere Durchlässe nicht mehr. Daher ist es das grundsätzliche Ziel, verrohrte Abschnitte wieder offen zu legen oder die Verlängerung oder Neuanlage von Durchlässen zu verhindern. Aktuell wird ein Genehmigungsverfahren durchgeführt, um die im Glasmacherviertel unterirdisch verlaufende Nördliche Düssel zu öffnen und naturnah auszubauen.

Welche Auswirkungen haben die Offenlegung der Nördlichen Düssel im Hofgarten und die Anbindung an die Landskrone? Wird der neue Zugang bereits von Fischen genutzt?

Loosen: Die neu errichtete Fischaufstiegsanlage ersetzt das Absturzbauwerk neben dem Grönen Jong und ermöglicht es den Fischen aus der Landskrone in den weiteren Verlauf der Inneren Nördlichen Düssel aufzusteigen. Hierzu liegen derzeit allerdings noch keine Ergebnisse vor.

Leben in der Düssel auch Fischarten, die ausgesetzt wurden oder zugewandert sind?

Loosen: Über den Brückerbach wandern auch die aus dem Schwarzmeerraum eingewanderten Grundelarten aus dem Rhein in das Düsselsystem. Vereinzelt sind auch Arten aus der Aquaristik wie der Blaubandbärbling oder der Sonnenbarsch in der Düssel zu finden. Die Grundelarten und der Blaubandbärbling zählen zu den invasiven gebietsfremden Arten. Das Vorkommen dieser Fische hat nachteilige Auswirkungen auf die heimische Lebewelt, sie verdrängen die angestammten Arten.

An den vier Düssel-Armen kann man mit etwas Glück auch Flusskrebse beobachten. Handelt es sich dabei um einheimische Arten?

Loosen: Bekannt ist ein flächiges Vorkommen von Signalkrebsen im Düsselsystem. Wenige Kamberkrebse sind ebenfalls seit vielen Jahren vorhanden.
Eine Koexistenz von diesen ursprünglich aus Nordamerika stammenden Flusskrebsen mit heimischen Krebsarten wie dem Edelkrebs und dem Steinkrebs ist nicht möglich, da die amerikanischen Krebsarten Überträger einer Pilzerkrankung sind, an der die heimischen Krebsarten innerhalb kürzester Zeit verenden.Daher zählen diese eingewanderten Krebsarten zu den invasiven gebietsfremden Arten.

Der seltene Eisvogel wurde in den vergangenen Jahren öfter am Brückerbach sowie an Nördlicher und Südlicher Düssel gesichtet, sogar mitten in Bilk. Welche sind die Fischarten, auf die er dort Beute macht?

Loosen: Das Vorkommen des Eisvogels im Stadtgebiet ist sehr erfreulich. Grundsätzlich ernährt sich der Eisvogel von Klein- und Jungfischen.
Dies können junge Rotaugen, Schmerlen und Gründlinge sein. Sofern andere Fischarten vorhanden sind, gehören Stichlinge nicht zur bevorzugten Beute des Eisvogels.