Interview OB Geisel: „Es ist natürlich auch ein Höllenjob“
Düsseldorf. OB Thomas Geisel spricht im WZ-Interview über sein Amt, die zunehmende Zahl von Flüchtlingen, den Knatsch mit der Stadtsparkasse und sechs Viertausender in sechs Tagen.
Herr Geisel, Ihr erster Terminvorschlag für dieses Interview war ein Samstagmittag, nun sitzen wir am Vormittag des Pfingstmontags in Ihrem Büro. Wann schalten Sie eigentlich mal ab?
Thomas Geisel: Ich bin einer, der bei seiner Familie zur Ruhe kommt. Ja, ich mache auch viele Wochenendtermine, aber da versuche ich, möglichst familienkompatible Termine zu machen. Etwa ein Besuch bei der Fortuna. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich mich in einem Hamsterrad befinde.
Sie sind vor knapp einem Jahr gewählt worden. Was gefällt Ihnen eigentlich am meisten an Ihrer Aufgabe?
Geisel: Es ist ein toller Job, in einer großartigen Stadt. Die Vielfalt macht’s. Zwischen Konzernlenker, Repräsentant und politischer Gestaltung. Aber es ist natürlich auch ein Höllenjob. Man braucht eine gute Gesundheit und Kondition, und eine Familie, die einem den Rücken frei hält.
Ihr Vorgänger Dirk Elbers soll nun doch eine Pension bekommen. Wie stehen Sie dazu?
Geisel: Herr Elbers hat einen Antrag gestellt, über den nun im Rat entschieden wird. Der Vorgang lässt mir keinen Entscheidungsspielraum.
Kritik gibt es zuletzt an Ihrem Umgang mit der Stadtsparkasse. Es sei nicht geschickt gewesen, dem Vorstand über die Presse mitzuteilen, welche Gewinnausschüttung die Stadt erwartet . . .
Geisel: Die Erwartung haben wir nicht in der Presse formuliert, sondern als wir den Haushalt aufgestellt haben. Im Etat-Entwurf standen die Ausschüttungserwartungen an die städtischen Töchter.
Die Sparkasse hat 2014 einen Überschuss von mehr als 140 Millionen Euro erwirtschaftet, davon wünschen Sie sich gut 26 Millionen für die Stadtkasse. Doch der Vorstand will das meiste Geld in die Rücklage stecken und weist nur einen Gewinn von 3,2 Millionen Euro aus — mit Hinweis auf wirtschaftlich unsichere Zeiten. Können Sie das, auch in Ihrer Eigenschaft als Verwaltungsratsvorsitzender der Bank, gar nicht nachvollziehen?
Geisel: Die Sparkasse hatte ein sehr gutes Geschäftsjahr. Ich finde es nur fair, wenn man sich die Hälfte des überplanmäßigen Gewinns teilt. Und ich glaube nicht, dass der Vorstand nach freiem Ermessen über die Verwendung des erwirtschafteten Ertrags entscheiden kann — ganz ohne Konsultation und Beschluss des eigenen Verwaltungsrates. Wenn man dieser Haltung nachgäbe, bedeutete dies eine Marginalisierung des Verwaltungsrates und de facto eine Enteignung des Trägers. Ich habe angeboten, darüber auch der Sparkassen-Belegschaft bei einer Personalversammlung Rede und Antwort zu stehen.
Sie könnten den Jahresabschluss der Sparkasse beanstanden. Werden Sie das tun?
Geisel: Wenn ich zu der Einschätzung komme, dass der vorgelegte Jahresabschluss rechtswidrig ist, muss ich das tun. Das wäre freilich ein ungewöhnlicher Vorgang. Ich appelliere daher an alle Beteiligten, dass man einen Weg findet, der es dem Verwaltungsrat ermöglicht, zumindest über den überplanmäßigen Gewinn mitzuentscheiden.
Bei der Messe haben Sie auch darauf gedrängt, dass mehr ausgeschüttet wird als in den Vorjahren. Hat es die Stadt denn finanziell so nötig?
Geisel: Auch die Messe hatte ein hervorragendes Geschäftsjahr, ebenfalls mit einem deutlich überplanmäßigen Ergebnis. Auch davon fließt nur ein Bruchteil in die Stadtkasse - das waren übrigens einstimmige Beschlüsse im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung. Die Leistungsfähigkeit und die Investitionsfähigkeit der Messe werden dadurch in keiner Weise geschmälert. Im Übrigen verstehe ich nicht, weshalb jeder private Eigentümer selbstverständlich einen Dividendenanspruch haben darf, das Gleiche aber bei einem öffentlichen Eigentümer nicht in Ordnung sein soll.
Die finanziellen Spielräume der Stadt werden enger. Drängen Sie auch deshalb auf hohe Ausschüttungen?
Geisel: Die Stadt lebt seit geraumer Zeit über ihre Verhältnisse. Gleichzeitig haben wir wahnsinnig viele Aufgaben vor der Brust, es ist vieles liegengeblieben. Selbstverständlich muss man in einer solchen Situation darauf achten, dass man auch die Spielräume auf der Einnahmeseite nutzt.
Ein möglichst hoher Betrag soll auch aus dem Verkauf der städtischen Grundstücke für die Ingenhoven-Bauten kommen. Wie weit sind Sie da in den Verhandlungen?
Geisel: Wir sind in konstruktiven Gesprächen und wollen zeitnah zu einem Abschluss kommen.
Und der Preis soll tendenziell höher liegen als beim ersten städtischen Grundstück für die Libeskind-Bauten, das für 36 Millionen Euro verkauft wurde?
Geisel: Davon würde ich ausgehen.
Hat sich die Stadt mit dem gleichzeitigen Bau von Wehrhahn-Linie und Kö-Bogen finanziell übernommen?
Geisel: Zwei Drittel der Investitionssummen der vorigen Jahre entfallen auf diese beiden Projekte. Dass die Stadt für die Kö-Bogen-Tunnel 300 Millionen Euro aus eigener Tasche bezahlt — wobei es anders als bei der Wehrhahn-Linie oder beim Rheinufertunnel keinerlei Zuschüsse von Bund oder Land gibt — ist schon sehr sportlich.
Die Folge ist, dass auf der einen Seite die Rücklagen weiter zusammengeschmolzen sind und auf der anderen Seite viele Aufgaben liegengeblieben sind. Ist dadurch die Schuldenfreiheit in Gefahr?
Geisel: Ich war nie ein Gralshüter der Schuldenfreiheit, das ist schließlich auch eine definitorische Frage. Die schwarz-gelbe Ratsmehrheit hat etwa das Balletthaus von einem privaten Investor bauen lassen - und die Stadt zahlt nun monatliche Pacht, mit der natürlich auch die Finanzierung bezahlt wird. Ist das nicht auch eine Form von Schulden? Entscheidend ist doch, dass wir handlungsfähig bleiben. Wenn man wie andere Kommunen die konsumtiven Ausgaben mit Krediten bezahlt, ist man in der Schuldenfalle. So weit dürfen wir es unter keinen Umständen kommen lassen.
Die FDP hat mit dem Bruch der Kooperation gedroht, wenn neue Schulden aufgenommen würden — egal ob im Kernhaushalt oder bei einer städtischen Tochter . . .
Geisel: Es ist gegenwärtig nicht beabsichtigt, städtische Projekte mit Krediten zu finanzieren. Aber bestimmte Aufgaben sind nicht verschiebbar. Wir können die Kinder doch nicht erst in der achten Klasse einschulen, weil kein Geld für den Schulbau da ist.
Eine besonders große Herausforderung für die Stadt ist auch die Aufnahme von immer mehr Flüchtlingen. Gibt es da für Sie eine Grenze des Machbaren?
Geisel: Zunächst einmal ist es ein Erfolg, dass wir endlich eine vorausschauende Flüchtlingspolitik machen. Ich bin sehr froh darüber, dass nun sehr schnell die Containerdörfer entstehen — eine Entlastung für die Betroffenen und für den Haushalt der Landeshauptstadt. Das Feedback aus der Bevölkerung ist — bis auf wenige Ausnahmen — sehr gut. Zudem gibt es eine hohe Hilfsbereitschaft. Natürlich ist eine zunehmende Zahl von Flüchtlingen in einer so hochverdichteten und wachsenden Stadt eine besondere Herausforderung, aber im Moment sehe ich keine absolute Aufnahme-Grenze.
Wie entwickeln sich die Dinge bei der Bergischen Kaserne?
Geisel: Wenn das Land keine Erstaufnahmestelle mehr einrichten will, weil die Sanierung nach seinen Schätzungen zu teuer wird, werden wir prüfen, ob die Kaserne als kommunale Unterbringungsmöglichkeit in Frage kommt.
Wir haben Sie im Laufe Ihrer Amtszeit einige Male ohne Ihre politische Mehrheit gesehen, etwa beim Erwin-Platz oder jetzt dem Kö-Pavillon. Klappt das Zusammenspiel mit den Fraktionen noch nicht so gut?
Geisel: Ich wundere mich über die Frage. Ich empfinde die Zusammenarbeit als sehr gut. Beim Erwin-Platz war die Entscheidung freigegeben. Und beim Kö-Pavillon konnte ich mir zwar den Standort Kamper Acker in Holthausen ganz gut vorstellen, wenn es jetzt allerdings eine Mehrheit für die Entsorgung gibt, dann ist das auch in Ordnung. Bei derartigen Altlasten bin ich vergleichsweise leidenschaftslos.
Ins Blickfeld geraten ist der Rheinbahn-Chef Dirk Biesenbach, dem Sie einen weiteren Vorstand zur Seite stellen wollen. Kritiker sagen, da werde ein guter Mann aus dem Amt gejagt.
Geisel: Dirk Biesenbach hat einen großartigen Job gemacht, er hat das Unternehmen wirtschaftlich auf eine solide Basis gestellt und organisatorisch fit gemacht. Was nicht im Fokus seiner Tätigkeit war, ist die Frage, welche Potenziale zum Beispiel in puncto Servicequalität erreichbar sind. Das ist ein zentrales Thema in unserer wachsenden Stadt. Insofern sind wir in einzelnen Punkten vielleicht unterschiedlicher Meinung. Für diese Aufgabe soll nun ein Vorstand gesucht werden. Wenn Herr Biesenbach in diesem Fall nicht mehr zur Verfügung stehen will, würde ich das bedauern. Es ist aber seine Entscheidung. Er hat aber zugesagt, jedenfalls so lange beim Unternehmen zu bleiben, bis der Vorstand neu besetzt ist.
Wie fällt knapp ein Jahr nach Sturm „Ela“ Ihre Bilanz der Spendenaktionen aus?
Geisel: Die Hilfsbereitschaft ist grandios. Ich bin sowohl von den gespendeten 2,5 Millionen Euro als auch vom bürgerschaftlichen Engagement begeistert.
Wie weit kommen wir den mit den 2,5 Millionen?
Geisel: Insgesamt sind sie natürlich nur ein Bruchteil der benötigten Summe. Aber viele Straßenbäume sind von dem Geld ersetzt worden, auch für den Hofgarten wird dezidiert gespendet.
Auch der OB braucht mal frei. Was machen Sie eigentlich in den Sommerferien?
Geisel: Wir fahren mit der Familie ein paar Tage nach Palermo und sind im Anschluss eine Woche im Hausboot auf der Müritz. Zudem steht eine ambitionierte Bergtour mit Freunden auf dem Programm. Wir haben uns sechs Viertausender in sechs Tagen vorgenommen.