Sport Parkour: Warum Jugendliche über Mauern und Geländer springen
Düsseldorf · Wir haben am Samstag einen Gratis-Workshop auf der neuen Anlage „Sportpark am Bunker“ in Rath besucht. Geübt wurde etwa der „Katzensprung“.
Jugendliche in weiten Jogginghosen sitzen auf dem Spielplatz, trinken Energydrinks und hören laute Musik. Plötzlich springt einer der Jungen auf, nimmt Anlauf und springt über eine 1,5 Meter hohe Mauer. Was zunächst vielleicht befremdlich wirkt, hat in Wirklichkeit nichts Bedrohliches oder Kriminelles an sich. Denn das Springen gehört zur Sportart Parkour, der immer noch viele Vorurteile entgegen gebracht werden.
Sieben Kinder nehmen am Training teil. Unter anderem lernen sie den sogenannten „Katzensprung“, der ermöglicht, möglichst weit voneinander entfernte Hindernisse zu überwinden. Geübt wird allerdings auf dem gummierten Boden der Anlage.
Am Samstag wurde der neue Sportpark am Bunker in Rath eröffnet. Nach einer Bauzeit von sechs Monaten und mit einem Budget von 600 000 Euro wurde der Park wenige Wochen später als geplant zugänglich gemacht. Finanziert wurde das Projekt durch Bund, Land und die Stadtbauförderung. Mehr als die Hälfte des Budgets übernahm die Stadt Düsseldorf. Auf dem Platz haben Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, Fußball oder Boule zu spielen. Der Mittelpunkt des Parks ist allerdings die Parkourfläche. Dazu gab es am Samstag einen Gratisworkshop.
Die Sportart Parkour ist eine Art Hindernislauf in urbanen und öffentlichen Räumen. Die Fortbewegungsart stammt aus Frankreich, wo es aus militärischen Übungen abgewandelt wurde. Dabei werden Geländer, Treppen oder Mauern zu Hindernissen, die es zu überwinden gilt. Dahinter steckt auch der Gedanke, seine Umwelt auf eine andere Weise zu erfahren. „Der Grundgedanke ist, den schnellsten und direktesten Weg zu wählen. Und weil der manchmal über eine Mauer verläuft, springen wir drüber“, erklärt Trainer Nikolai.
Entwickelt im Rahmen einer Beteiligungswerkstatt für Ideen wurde die Anlage gemeinsam mit in Düsseldorf aktiven Parkourläufern. Einer der Beteiligten war Nikolai Kutscha (23), der seit acht Jahren Parkour macht und seit fünf als Trainer arbeitet.
„Parkour ist ein sehr individueller Sport. Es gibt nicht eine richtige oder falsche Art, einen Sprung oder Salto auszuführen. Jeder macht alles in seinem Stil und man kann sich ständig Neues ausdenken“, sagt der 22-Jährige Ben, der vorher Kampfsport gemacht hat. „Sportvereine gibt es für Parkour nicht. Eine so unfallträchtige Sportart zu versichern, wäre schwierig und Hallen braucht es nicht, weil ja sowieso alles auf der Straße stattfindet“, sagt Kutscha. Der Hindernislauf als Sportart sei deshalb so wichtig, weil viele junge Leute den Spaß an Bewegung verloren haben. „Die Motorik von Schülern wird immer schlechter, weil sie lieber vor dem Computer hocken, statt vor die Tür zu gehen“, beklagt der 23-Jährige.
Auch das Selbstvertrauen kann mit Parkour wachsen
„Die Sportart bringt einem unheimlich viel. Man lernt sich selbst etwas zuzutrauen, Selbstvertrauen zu gewinnen, man kommt an die frische Luft und überwindet seine Ängste“, erklärt der Trainer. Jeder macht sich die eigenen Übungen genauso schwierig wie er möchte. Dabei geht es vor allem um Selbstüberwindung, nicht darum der Beste zu sein.
Das sagt auch der 22-Jährige Ben. Deshalb ist er dagegen, dass die Sportart olympisch wird. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat nämlich bereits mehrfach den Versuch gemacht, die Trendsportart in die Olympischen Spiele aufzunehmen.
„Seit ich Parkour mache, sehe ich die Stadt mit anderen Augen. Jedes Geländer und jede Mauer ist eine Möglichkeit sich auszuprobieren“, sagt der 21-Jährige Shawn, der sich seit sechs Jahren regelmäßig mit Freunden trifft, um den Sport gemeinsam auszuüben. Viel läuft übers Internet: Über Facebook-Gruppen verabreden sich Sportler aus verschiedenen Städten. Auf diese Weise haben Shawn und Ben schon viele neue Freunde und den Kontakt zu anderen Nationalitäten gefunden.
Mit der Zeit werden andere Kinder angelockt. „Wir haben hier die besten Voraussetzungen für den Sport, weil die Kinder Spaß an der Sache haben“, sagt der Trainer. Zwei Stunden später ist die Gruppe fast doppelt so groß und alle stehen brav in einer Reihe und ahmen nacheinander die Springbewegung über eine niedrige Bank nach, die ihnen beigebracht wurde.
Kutscha ist einer der wenigen Parkour-Trainer in Düsseldorf. Freiberuflich arbeitet er in Schulen und Jugendzentren. Mit dem Projekt für den Sportpark kam die Stadt auf ihn und das Sportamt zu, die es zusammen realisierten. In Workshops soll die Grundlagen der Sportart beigebracht werden, danach trifft man sich üblicherweise im Park und bringt sich gegenseitig schwerere Sprünge bei.
„Wir wohnen ganz in der Nähe und kommen gern zum Turnen her. Hier gibt es einfach bessere Geräte dafür als auf normalen Spielplätzen“, sagen Angelina und Alicia (beide 9) sowie die 8-jährige Giuliana. Und zeigen stolz, was sie schon können. Sobald sie zwölf Jahre alt sind, wollen die Mädchen ebenfalls am Workshop der Parkour Düsseldorf teilnehmen.