Pflegeeltern gesucht, Vielfalt erlaubt

Diakonie wirbt um Menschen, die auch ein womöglich traumatisiertes Kind in Obhut nehmen — so wie Ben und Micha.

Foto: J. Michaelis

Wenn der fünfjährige Junge etwas von seinen Eltern möchte, dann spricht er Papa Ben an. Oder Papa Micha. Oder er sagt: „Papas“. Ben (34) und Micha (39) sind ein schwules Ehepaar und Pflegeltern bei der Diakonie. Vor anderthalb Jahren haben sie einen traumatisierten Jungen in ihre Obhut genommen, der üble Gewalterfahrungen hinter sich hatte und den das Jugendamt von seinen leiblichen Eltern wegholte. Die beiden Männer hatten sich vorgenommen, einem Kind in Not dauerhaft zu helfen: „Anders als bei einer Adoption, wo Eltern sich oft ihrerseits ein Kind suchen, steht dies bei uns über allem“, sagt Micha, der als Selbständiger eine Firma betreibt.

Der Junge hat sich bei ihnen schnell eingelebt. Davor, im Kinderheim, konnte er nachts immer nur bei Licht und offener Tür schlafen, berichten seine Pflegeväter — und nie mehr als drei Stunden. Das sei alles vorbei. Weil Micha bis abends arbeitet, betreut ihn derzeit vor allem Ben, er ist in Elternzeit und vom Fach: Heilerziehungspfleger. Vormittags geht der Junge in eine Kita.

Etwa 300 Pflegeeltern hat die Diakonie aktuell in ihrer Kartei, bei 450 Pflegekindern in Düsseldorf und Umgebung. Stadt und freie Träger suchen eigentlich immer neue Pflegeeltern, der Bedarf ist chronisch höher als das Angebot. Die Diakonie macht das jetzt mit einer neu designten Kampagne unter dem Motto „Vielfalt willkommen“. Dafür stehen natürlich die beiden Pflegepapas, aber Vielfalt meint auch andere Zielgruppen, betont Rudolf Brune, Diakonie-Vorstand für Kinder und Familie: „Wir wollen vor allem keine Gruppe ausgrenzen und zum Beispiel ältere Männer und Frauen auch jenseits der 50 mehr animieren oder Alleinerziehende.“ Und natürlich auch ganz „normale“ Vater-Mutter-Kind-Familien in einem Haushalt, die ein Pflegekind dazu betreuen möchten. „Es gibt so viele Kinder mit ganz individuellem Hintergrund, dass wir auch möglichst viele verschiedene Pflegeeltern im Angebot haben möchten“, sagt Boris Wellssow, der die Abteilung Pflegekinder der Diakonie leitet.

Allgemeine Ausschlusskriterien gibt es nur zwei: Pflegemutter oder -vater dürfen nicht unter einer schweren, zumal lebensbedrohlichen Erkrankung leiden; es darf kein einschlägiger Eintrag im Führungszeugnis vorliegen. Die Betreuung eines — womöglich früher vernachlässigten, misshandelten und/oder traumatisierten — Kindes ist zweifellos eine gewaltige Herausforderung. Entsprechend werden Pflegeeltern bei der Diakonie gezielt vorbereitet auf die verantwortungsvolle Aufgabe, dann permanent begleitet und unterstützt, auch materiell und gegebenenfalls finanziell.

Ben und Micha sind darauf nicht angewiesen, die begleitenden Seminare und Workshops indes haben ihnen viel gebracht, sagen sie. Natürlich ging es dabei auch um die Frage, wie sie damit umgehen, wenn ihnen ihr Pflegesohn wieder abgenommen würde, weil er doch wieder zu den leiblichen Eltern kann, so unwahrscheinlich das auch sein mag. „Das wäre sehr hart. Aber wir wissen dann zumindest, dass wir dem Jungen einige Jahre helfen konnten. Und das ist das Wichtigste“, sagt Ben.

Mit schiefen Blicken, Sprüchen oder gar Anfeindungen hat das schwule Elternpaar durchaus gerechnt, umso froher ist es, das bislang nichts davon geschehen ist. Ben: „Sollte unser Sohnemann mal wegen uns gehänselt werden, kann er notfalls immer sagen: Das sind meine Pflegeltern, die habe ich mir nicht ausgesucht.“

Die Pflegepapas und ihr Sohn treffen regelmäßig die leiblichen Eltern in einem geschützten Raum bei der Diakonie, der Junge soll keinesfalls von seinen Wurzeln gekappt werden. Auch seine Schwester, die bei einer anderen Pflegefamilie lebt, sieht er immer wieder. Zugleich ist er voll in Bens und Michas Familien integriert, deren Eltern sind ihm selbstverständlich Opa und Oma. Und vielleicht bekommt er demnächst sogar noch ein „Pflege-Geschwisterkind“.