Premiere in Düsseldorf Stunk legt den Finger tief in die Wunde
Düsseldorf · Was passiert, wenn die AfD das Fernsehprogramm bestimmt? Diesen und vielen weiteren Szenarien widmen sich die Düsseldorfer Stunker in ihrer Sitzung im Capitol-Theater. Ein gelungener politisch-kabarettistischer Abend.
Es sind nur acht Personen im Ensemble, aber die Anzahl der Figuren, die beim „Sturm im Altbierglas“, dem Stunk 2024 im Capitol-Theater, dargestellt werden, tendiert gegen unendlich. Mit wohldosiertem Einsatz von Perücken und Kleidungsstücken inklusive sprachlicher Besonderheiten stehen unverwechselbar Karl Lauterbach, Annalena Baerbock, Meister Söder und sein Pumuckl (Aiwanger), Olaf Scholz, Wolfgang Kubicki, Sarah Wagenknecht, Ursula von der Leyen und so einige mehr auf der Jubiläumsbühne. Der Stunk in Düsseldorf, die kabarettistisch-karnevalistische Situationsbeschreibung von Politik und Gesellschaft, feiert sein 25-Jähriges.
Und obwohl sich der Stunk nach dem sprichwörtlichen rheinischen Brauchtumsgesetz, nach dem ja alles, was zum dritten Male stattfindet, zum Brauchtum gehört, fest im rituellen Sittengebäude der Landeshauptstadt verankert hat, hat er nichts an humoristischer Kritik, satirischer Eloquenz, darstellerischer Kompetenz, musikalischer Vielfalt, karnevalistischer Narretei und jecker Hintergründigkeit verloren.
Dabei reichte die Themenpalette von den alltäglichen Sorgen des kleinen Mannes bis hin zur Politik in Berlin. So kamen die Probleme mit der Digitalisierung, über die Cannabis-Legalisierung, die Deutsche Bahn, die Ampel-Regierung, bis zur Kritik an der AfD und dem spürbaren Rechtsruck zur Sprache. Die Stunker spielten, sangen, tanzten sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib. „Vor der Düsseldorf-Premiere waren wir alle nervös, und dabei haben wir das Programm ja schon öfter in Neuss gespielt“, sagte Stunk-Ensemblesprecher Dennis Prang. „Man muss sich aber immer erst auf den neuen Saal einstellen und mit dem neuen Publikum abtasten. Aber es hat alles geklappt und es hat viel Bock gemacht.“
Und wie für den Stunk üblich, legte das Ensemble den Finger ganz tief in die Wunden der Gesellschaft und Politik. So gab es die traditionellen Stunk-Momente, in denen einem das Lachen im Halse stecken bleibt, in denen der enorme Realitätsbezug einem das Grauen in die Rückenwirbelsäule schießen ließ. „Die AfD aus Protest zu wählen, ist genauso sinnstiftend wie bei einer Blinddarmentzündung mit einer Beinamputation zu reagieren“, echauffierte sich Prang in seinem Solo.
Was alles auf uns zukommen kann, wenn die AfD an die Macht kommen sollte, illustrierten die Stunker anhand der Gleichschaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kurzerhand würde jeder Sendetag mit einem Morgenappell begonnen und beliebte Sendungen inhaltlich und vom Titel her neu gestaltet. So kämen Programmformate wie „Verstehen Sie Hass“ (Verstehen Sie Spaß), „Hetzblatt“ (Herzblatt) oder „Wetten Hass“ (Wetten, dass...) ins dann nur noch braun-weiße Programm. „Solche Momente, in denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, in denen manchen der Mund vor Schrecken offen stehen bleibt, gehören seit jeher zum Stunk dazu“, meint Harry Heib, der seit Anbeginn zum Ensemble gehört. „Das muss auch so sein, denn Karneval ist auch eine manchmal scharfe Kritik an bestehenden oder bevorstehenden Verhältnissen.“
Doch nicht alles hatte diese Schärfe. Das meiste des 25. Stunks hatte jecken Charakter und augenzwinkernde Nachdenklichkeit. So war auch ein millionenstarker Protestzug rheinischer Karnevalisten in die Bundeshauptstadt Berlin Thema. Und die aktuelle Lage haben die Stunker auch nicht vergessen und baten um Spenden für das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“, das die große Demonstration gegen Rechtsextremismus und Rassismus am 27. Januar organisiert hatte. „Es ist so klasse, dass der Stunk für uns sammelt“, sagte „Düsseldorf stellt sich quer“-Aktivist Kaspar Michels, der sich die Düsseldorf-Premiere des Stunks nicht entgehen lassen wollte. „Wir brauchen jeden Euro im Kampf gegen Rechtsextremismus.“ Nicht nur für die Sammelaktion gab es minutenlange Standing Ovations.