Notfallpsychologin des Flugzeugunglücks Sabine Rau: "Schicksale berühren mich persönlich"
Die Hinterbliebenen der Opfer des Flugzeugabsturzes in Frankreich durchleben kaum vorstellbares Leid. Notfallpsychologin Sabine Rau betreut diese Menschen und kommt dabei auch an ihre eigenen Grenzen.
Düsseldorf (dpa). Einen geliebten Menschen zu verlieren, davor fürchtet sich wohl jeder. Für viele Menschen wurde diese Angst in der vergangenen Woche durch den Absturz der Germanwings-Maschine furchtbare Realität. Die Notfallpsychologin Sabine Rau betreut die Angehörigen der Opfer in ihrer Trauer. Dabei wurde sie mit viel Leid konfrontiert. Das bewegt die Psychologin auch privat, wie sie im Interview der dpa sagte.
Wie nimmt man ein solches Ereignis wie den Flugzeugabsturz nicht zu persönlich?
Sabine Rau: Ich nehme das persönlich. Und ich fände das unschön und nicht echt, wenn das anders wäre. Natürlich hinterlässt das Leid, das mir begegnet ist, Spuren - auch bei mir. Sonst wäre ich aber auch gar nicht authentisch. Sonst könnte ich auch keine passende Hilfe anbieten. Das würde sonst auch jeder merken, dass da was nicht stimmt. Man kann aber nur für jemanden da sein, wenn man selbst stabil ist. Die Verantwortung hat man dann gegenüber den Menschen, denen man dann begegnet.
Warum haben Sie sich für den Job entschieden?
Rau: Vielleicht, weil ich einfach jemand bin, der gerne Menschen unterstützt. Das war ich einfach immer. Und weil ich meinen Auftrag eher in dem Bereich der Psyche und Seele gesehen habe als im Ärztlichen. Für mich war es eine Abwägung, ob ich Ärztin werde oder Psychologin.
Was ist das Besondere, was Ihren Beruf ausmacht?
Rau: Ich finde schön, dass wir Menschen in Lebenslagen, in denen sie mit kritischen Lebensereignissen konfrontiert sind, eine sehr schnelle und passgenaue Hilfe anbieten. Sie ist ein Angebot, aber kein Muss. Ich darf ganz besonderen Menschen begegnen. Ich hab keinen Bürojob. Ich bin Mensch zu Mensch.
Was waren besonders schwierige Momente in den vergangenen Tagen, wann sind sie an ihre Grenzen gekommen?
Rau: Die größte Herausforderung ist die Anforderungsfülle. Wir sind im Einsatz. Mit dem Volumen an Arbeit wird die Grenze für einige Tage überschritten. Es ist auch gut, wenn an der Stelle wieder Normalität und Planbarkeit eintritt. In meinem Beruf bekommt man eine Alarmierung und weiß gar nicht, was ist eigentlich los. Dann wird man in Situationen reingeworfen. Man übernimmt Management im absoluten Chaos.
War das Flugzeugunglück in ihrer bisherigen Laufbahn das einprägsamste Erlebnis?
Rau: Damit würde man vielen Menschen nicht gerecht. Wir haben mit Einzelschicksalen und ganz großem Leid zu tun. Wir waren auch schon als Hilfe bei der Loveparade in Duisburg beteiligt. Wir haben auch im vergangenen Jahr in Düsseldorf eine Amoksituation gehabt und einige weitere extreme Belastungssituationen begleitet.
Wie können Sie im Privatleben mit diesen schlimmen Schicksalen umgehen?
Rau: Ich bin dankbar, dass ich ein soziales Netz habe, eine Familie. Ich hab einen zweijährigen Sohn, der das alles gar nicht versteht und einfach „bei Mama“ ist, das tut gut.
Was wird Ihnen aus der vergangenen Woche besonders in Erinnerung bleiben?
Rau: Ich werde jeden Menschen, der mir begegnet ist in besonderer Erinnerung behalten.