Notfallseelsorge Düsseldorf Seelsorger: Sie kommen in der schwärzesten Stunde

Zehn neue Notfallseelsorger haben ihren Dienst aufgenommen. Zu ihnen gehört Janine Pufal (29).

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Das allererste Mal schrillte der Pieper morgens in der Frühe. Ganz schön laut. Janine Pufal hatte ihren 24-Stunden-Bereitschaftsdienst gerade aufgenommen. „Da wird man schon nervös.“ „Todesfall in Wohnung“ stand auf dem Display. Zusammen mit einem Kollegen machte sich die 29-Jährige auf den Weg.

Der Mann war erst Mitte 50 gewesen. Schwer krank, ein Ende war absehbar gewesen. „Aber dass es so schnell ging dann doch nicht“, sagt Pufal. Seine Frau sei völlig aufgelöst gewesen. Dann noch die Polizei in der Wohnung, und die wollte sofort einen Bestatter rufen. Janine Pufal sorgte mit ihrem Kollegen für Ruhe im Chaos. Sie schuf Raum und Zeit für den Abschied vom geliebten Menschen; erklärte der Frau, was an ersten bürokratischen Schritten nun auf sie zukommen werde; und sie blieb, bis eine Freundin kam, um der frischgebackenen Witwe zur Seite zu stehen.

Janine Pufal ist eine von zehn neuen Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorgern, die in dieser Woche mit einem Gottesdienst in ihr Ehrenamt eingeführt wurden. Die junge Psychologin hat eine einjährige Ausbildung hinter sich. 13 Wochenenden, an denen sie gleich zu Beginn mit Rollenspielen für den Ernstfall ins kalte Wasser geworfen wurde. Was sagt man einem Vater, der gerade sein wenige Monate altes Kind tot im Bettchen gefunden hat? „Vor Situationen nach plötzlichem Kindstod oder Suizid habe ich großen Respekt“, gibt die junge Frau zu. „Dinge, mit denen keiner gerechnet hat.“ Und dann vor der Frage: warum? Was hatte dieses Unglück für einen Sinn? „Wir können nicht für alles eine Erklärung bieten. Aber oft geht es auch gar nicht darum, viel zu reden“, sagt Pufal. „Sondern einfach darum, da zu sein.“ Bei vielen Angehörigen fange es gleich an zu rattern: Was muss ich jetzt tun? Was ist mit dem Bestatter zu klären? Sie und die anderen Notfallseelsorger haben dazu die nötigen Informationen. Sie erklären aber auch, was Warnzeichen in der näheren Zukunft sein könnten, dass man das Erlebte nicht verarbeitet, womöglich sogar in eine Belastungsstörung rutscht. „Ich glaube, viele psychische Erkrankungen können so im Keim erstickt werden.“

In ihrer Ausbildung wurde die Jüngste im Team darauf vorbereitet, dass sie im Einsatz auf alles vorbereitet sein muss. Auf Schockstarre, endlose Traurigkeit, aber auch Wut. „Man muss das hinnehmen können und auch ein Stück aushalten“, glaubt sie. Ein bisschen Angst hatte sie davor, tote Menschen zu sehen. Doch bei ihren ersten drei Einsätzen hat sie nun die Erfahrung gemacht: „Das ist eigentlich sehr friedlich.“

Die Psychologin hat sich immer ehrenamtlich engagiert, vor allem als Jugendleiterin ihrer Kirchengemeinde. Jetzt suchte sie eine neue Herausforderung. „Für mich ist das Ehrenamt eine Bereicherung. Es ist Ausgleich und Sinn.“ Ihr sei wichtig, für andere da sein zu können. „Es gibt Menschen, die sonst keinen Rückhalt haben, wenn etwas Schreckliches passiert ist.“

Dass sie selbst es mal nicht mehr schafft, mit all der Trauer umzugehen, die ihr begegnen wird, fürchtet Janine Pufal nicht. Das Team der neuen Notfallseelsorger sei eng zusammengewachsen und könne sich untereinander austausche. Gerade am Anfang fahre man immer mit einem erfahrenen Kollegen zu den Einsätzen — „Tandem“ nennen sie das. Auch der Kontakt zu den hauptamtlichen Leitern des Teams (siehe Text unten) sei gut — und jeden Monat gebe es das Angebot zur Supervision. „Es wird gut für uns gesorgt“, sagt die 29-Jährige. Und dann ist da ja noch ihr Freund, den sie im nächsten Jahr heiraten wird: „Er unterstützt mich und findet es super, dass ich das mache.“ Auch wenn in Zukunft mal nachts der Pieper schrillt.