Kolumne: Woche 2 im Home-Office mit Kindern in Zeiten von Corona Wir sind stets bemüht

Düsseldorf · Home-Office mit Kindern in Zeiten des Coronavirus ist kein Selbstläufer. Das braucht einen ausgefeilten Plan.

Die Knete vom Vortag klebt noch unter den Schuhsohlen.

Foto: Ines Arnold

Die brauen Augen rollen unter der zotteligen Mähne im Halbkreis. „Wann hast du dir eigentlich zuletzt die Haare gekämmt?“, frage ich erneut das schmollende Kind, das gerade jedes Casting für die Hauptrolle in Astrid Lindgrens Ronja für sich entscheiden würde. „Übergestern“, grummelt die Räubertochter und ist auch schon wieder weg.

Die erste Woche ohne Kindergarten im Homeoffice liegt hinter uns. Und sie hat Spuren hinterlassen. Prioritäten wurden gesetzt. Wie man deutlich sieht. Der Haushalt stand offensichtlich ganz unten auf unserer Liste. In diesem Moment klebt die Knete vom Vortag an meiner Fußsohle.

Die Kinder möglichst sinnvoll zu beschäftigen, beim eigenen Scheitern ihnen gegenüber nicht unfair zu werden und uns Eltern beim Arbeiten abzusprechen, erfüllte unser Wochenkonto komplett. Wir wollten uns eingrooven, war die Perspektive meiner letzten Kolumne vor einer Woche. Sagen wir mal so, wir sind stets bemüht.

WZ-Redakteurin Ines Arnold.

Foto: Melanie Zanin/M.ZANIN

Wir arbeiten gerade an einer Struktur. Die brauchen wir. Dieses In-den-Tag-hineinleben war noch nie meins. Keine Ahnung, ob ich das auf die Familie übertragen habe, aber alle Familienmitglieder wollen schon morgens wissen, was sie vom Tag zu erwarten haben. Das sind unter diesen Umständen dann nicht mehr die Programmpunkte Kindergarten, Turnstunde oder Treffen mit der BFF (Best Friend Forever!). Nun kneten wir eben (ich hasse Knete), backen oder basteln. Heute haben wir eine Unterwasserlandschaft gestaltet. Hochkonzentriert wurden Meeresbewohner angemalt und ausgeschnitten und auf eine in den Tiefen des Kellers gefundene Pappe geklebt. Auch Oma hilft aus der Ferne mit. Per Post schickte sie uns liebevoll gestaltete Briefumschläge für jedes Kind mit verschiedenen Spiel- und Bastelideen, Stickern, Reimen und Suchbildern. Sie muss Tage daran gesessen haben.

Und wir nutzen nun auch die digitalen Möglichkeiten. Die andere Oma hat sich ein Loch in den Bauch gefreut, als wir sie Donnerstagabend per Videoanruf erreichten und sie uns alle am Esstisch sitzen sah. Während der kleine Bruder ins Bett gebracht wurde, saßen die Schwestern zusammengekauert auf der Couch und starrten auf das Handydisplay, auf dem Oma schließlich noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählte.

Zur abendlichen Routine ist auch der Ausflug auf den nahegelegenen Parkplatz eines nun verwaisten Outlets geworden. Dort werden die drei Kinder mit Affenzahn in die Runden geschickt. Sie dürfen kreischen, rennen, gegen die Zeit fahren, sich mit dem Fahrrad in die Kurven legen und auch mal hinfallen. Hauptsache die Sau wird rausgelassen. Und ich kreische mit. Das hilft ungemein. Mir fehlen die Atempausen. Das auch mal ohne Kinder sein.

Gleichzeitig zucke ich zusammen bei dem Gedanken, wie vermessen mein Anspruch doch ist. Andere haben nicht diesen Luxus, zu Hause arbeiten zu können. Sie vermissen ihre Kinder, während sie im Supermarkt oder im Krankenhaus stehen. Wie glücklich wir uns schätzen können, wurde mir vor fünf Minuten wieder vor Augen geführt. Als ich diesen Text unterbrechen musste, weil der Rest der Familie im Badezimmer nach mir schrie. Als ich um die Ecke peste, sah ich sie hüpfen und tanzen. Der Jüngste stand ohne Windel da und ließ sich für seinen ersten Erfolg auf der Toilette feiern. Ich stimmte euphorisch mit ein. Um nichts in der Welt hätte ich diesen Moment verpassen wollen.