Stadt-Teilchen Düsseldorf kann keine Plätzchen
Der einzig schöne Platz in der Stadt ist ein freier Parkplatz.
Düsseldorf. Plätzchen gefällig? Die Frage ist freundlich gemeint, aber irgendwer in Düsseldorf lehnt sie immer wieder ab. Nein, ein Plätzchen wollen wir nicht, brauchen wir nicht. Und außerdem kaufen wir grundsätzlich nichts an der Tür. Wer soll auch schon mit einem Plätzchen was anfangen? Also nicht mit einem leckeren Gebäckstückchen, sondern mit einem beschaulichen Ort, der zum Niederlassen einlädt, der Ruhe ausstrahlt, während rundherum der Großstadtlärm tobt.
Düsseldorf braucht keine Plätzchen. Plätzchen widersprechen der Lebensphilosophie dieser Stadt, die niemals schläft, die immer unterwegs ist und schon beim Hinsetzen weiß, dass sie sich Sekunden später wieder erheben und weitereilen wird. Wer rastet, rostet. Dieser Spruch ist in Düsseldorf erfunden worden. Da bin ich mir ganz sicher. Wer also Rost vermeiden will, bleibt in Bewegung und verhütet damit gleichzeitig, ins Visier irgendwelcher Angreifer zu geraten. Bewegliche Ziele sind schwerer zu treffen.
Schöne Plätzchen stehen im krassen Gegensatz zu dem, was Düsseldorf ausmacht. Wer sich an beschaulichen Orten niederlassen möchte, ist falsch in dieser Stadt. Aus genau diesem Grund sind Düsseldorfs Plätze so hässlich. Plätze sind etwas für Verlierer, und Verlierer kann eine Metropole wie diese nicht brauchen. Also wird alles getan, um die Plätze hässlich zu halten. Offiziell wird zwar alle Jahre wieder betont, man wolle diesen oder jenen Platz umbauen und hübscher machen, aber das sind alles nur Verschleierungsmaßnahmen. Oder kann sich irgendwer vorstellen, dass die „Verschönerer“ des Worringer Platzes die umgestaltete Fläche heute wirklich schön finden?
Diese von Schienen und Straßen zerschnittene Brache, die keine Kontur hat und in ihren besten Momenten von oben aussehen muss wie eine explodierte Pizza? Findet irgendwer den Oberbilker Markt nach dem Umbau wirklich schön? Die paar schräg gestellten Lampen, das akkurat verlegte Pflaster, die paar Marktbuden ab und an? Wer das schön findet, hat wahrscheinlich auch Spaß gehabt, als die unförmigen Sitzmöbel auf dem Schadowplatz vergessen wurden.
Früher habe ich gesagt: Düsseldorf kann keine Plätze. Ich folgte der Theorie, dass unsere Stadt irgendwo draußen im Park geflirtet oder am Rhein gedöst hat, als in der Stadtplanungs-Schule das Thema Plätze auf dem Plan stand. Auf jeden Fall war Düsseldorf gerade nicht da, als erklärt wurde, wie man Plätze so gestaltet, dass Menschen sie gerne bevölkern. Heute weiß ich: Düsseldorf will keine schönen Plätze. Plätze hemmen den Fortschritt, also müssen Plätze hässlich bleiben.
Ihr oft geplanter und ab und an auch mal durchgeführter Umbau dient in erster Linie der Beruhigung des Bürgergemüts, das sich der Illusion hingibt, es könne etwas schöner werden. In zweiter Linie sind solche Umbauten als Beschäftigungsmaßnahme für die örtliche Bauwirtschaft gedacht. Daher verfolge ich auch die Diskussionen über die Verschönerung des Bahnhofsvorplatzes, über die Neuaufteilung des Gustaf-Gründgens-Platzes mit Skepsis. Wie oft habe ich schon von Plänen zum Umbau des Schauspielhausvorplatzes gehört, und wie oft sind sie versandet. Aber selbst wenn solche Pläne umgesetzt werden, ist das Ergebnis eine Enttäuschung, siehe Worringer Platz und Oberbilker Markt.
Insofern gibt es nur wenige Möglichkeiten für Freunde schöner Plätzchen. Sie finden sich ab mit dem Dilemma, sie lernen, Hässliches schön zu finden, oder sie besinnen sich auf die Weisheit, dass es nur einen richtig schönen Platz in Düsseldorf gibt. Einen, den man bedingungslos lieben kann, dem man sich gerne anvertraut - der freie Parkplatz, den man gerade eben erspäht hat. Plätzchen gefällig? Ja, gerne.