Taubenroulette und die Frage: Wen trifft’s?

Die Tiere lieben vor allem frisch gewaschene Autos

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Düsseldorf. Es gibt endlich mal ein Spiel, in dem ich ziemlich gut bin. Es heißt Taubenroulette. Ob es wirklich offiziell so heißt, weiß ich gar nicht, denn ich bilde mir ein, es selbst erfunden zu haben, und wenn ich es erfunden habe, kann es ja quasi gar nicht offiziell sein. Aber egal.

WZ-Autor Hans Hoff würde sich als Denkmal sicher gut machen.

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Fürs Taubenroulette braucht man nicht viel. Ein Auto, ein paar Bäume in einer möglichst dicht besiedelten Gegend und etwas Beobachtungsgabe reichen völlig aus. Als Spielort kommt jede Düsseldorfer Straße in Frage, die über respektabel aufragenden Baumbewuchs und das zugehörige gefiederte Gewimmel in der Krone verfügt. Jeder Spieler beim Taubenroulette bekommt ein Auto und muss dieses nun so unter einem Baum platzieren, dass es garantiert am nächsten Morgen vor Taubendreck strotzt.

Das ist nicht einfach, denn Tauben sind nach meiner Beobachtung lange nicht so ortsbeständig, wie das manche vermuten. Sie erledigen ihr Geschäft mal hier, mal dort. Da muss man schnell sein, wenn man was abhaben möchte. Erkennbar sind die jeweiligen Aufenthaltsorte der grauen Racker am gesprenkelten Bodenbelag zu Füßen der Bäume. Dort findet sich in erneuerter Form, was den Vögeln gestern noch geschmeckt hat. Ist der Bodenbelag knochentrocken, sind die gefiederten Freunde lange nicht mehr vor Ort gewesen. Ist er dagegen eher von feuchter Konsistenz, darf man das als Hinweis auf aktuelle Aktivität werden.

Es gilt also, einen Platz fürs Auto zu finden, der gerade in der Abwurfbahn der gerade nicht turtelnden Tauben liegt. Hat man die Wahl zwischen zwei Parkplätzen, nimmt man immer den, der unter einem Baum liegt. Parkplätze unter gänzlich freiem Himmel sind Plätze für Verlierer.

Nun ist es aber so, dass man zum Beispiel in Unterbilk nicht immer wählen kann, ob man nun diesen oder jenen Parkplatz erwählt. Man muss nehmen, was man kriegt. Insbesondere zur späten Stunde ist die Auswahl noch einmal zusätzlich eingeschränkt. Das kann man schade finden, ich freue mich darüber jede Mal wie ein Schneekönig. Ich habe nämlich festgestellt, dass aus unverständlichen Gründen immer genau jene Parkplätze bis zum Schluss freibleiben, auf denen man den größten Erfolg im Taubenroulette erwarten kann.

Natürlich bleibt das Buhlen um Taubendreck ein Glücksspiel, aber die Erfahrung lehrt, dass man seinem Glück ein wenig nachhelfen kann. Es hilft zum Beispiel sehr, wenn man am nächsten Morgen einen wichtigen Termin hat, bei dem auch das eigene Gefährt in Sicht der Gesprächspartner platziert werden muss. Dann kann man sicher gehen, dass es über Nacht schöne Flatschen quer über die Karosserie gibt, obendrauf, hinten rechts, vorne links. Insbesondere letztgenannte Positionierung gibt dann dem Wort Kotflügel eine ganz neue Bedeutung.

Ich habe übrigens den ultimativen Tipp für alle, die beim Taubenroulette was werden wollen. Auto waschen. Das hilft fast immer. Tauben lieben frisch gewaschene Wagen. Mir scheint es, als würden sie das saubere Auto so betrachten wie der Künstler seine Leinwand. Sie malen dann Bilder auf den Lack, die mich in den besten Momenten ein bisschen an Gerhard Richter oder Jackson Pollock erinnern. Dreckskarren meiden sie hingegen wie die Pest. Möglicherweise ekeln sich Tauben so sehr vor verdreckten Autos wie der Mensch vor versifften Kneipentoiletten. Man lernt daraus: Die Taube liebt es reinlich.

Ich habe bisher ziemlich oft gewonnen beim Taubenroulette. Das kann daran liegen, dass es so schwer ist, Mitspieler zu gewinnen. Möglicherweise meiden mich auch potenzielle Mitspieler, weil sich herumgesprochen hat, dass ich manchmal pfusche. Dann fahre ich mein frisch gewaschenes Auto nachts heimlich unter eine Bahnbrücke und lass es dort ein paar Stunden stehen. Mein Geheimtipp: die Unterführung an der Bachstraße. Im Morgengrauen hole ich das aus der Höhe signierte Gefährt dann wieder ab und präsentiere es allen Konkurrenten unter einem harmlos wirkenden Baum. Seht her, ich bin der Meister des Taubenroulette.

Neuerdings allerdings bin ich mir nicht mehr sicher, ob beim Taubenroulette alles mit rechten Dingen zugeht. Als ich gerade wieder einmal einen Erfolg vermelden wollte, flog eine Taube fort und setzte mir noch einen Abschiedsgruß auf den Lack. Schön, dachte ich, aber dann war mir, als hätte ich unter den ausgebreiteten Flügeln einen Aufkleber gesehen. Oder schwanden mir nur die Sinne? Ich meinte eine Aufschrift gesehen zu haben: „Sponsored by Mr. Wash“, stand da drauf. Oder habe ich mir das nur eingebildet? Bin ich das Opfer einer großen Verschwörungskampagne? Wo sind eigentlich all die Geheimdienste, wenn es wirklich mal was aufzuklären gibt?