Adventsserie Hinter verschlossenen Türen 18 Grad, 50 Prozent Luftfeuchtigkeit

Stadtmitte · Die Magazine des Stadtarchivs sind unzugänglich – der Ordnung halber. Die Akten kann man dennoch einsehen.

Benedikt Mauer leitet das Stadtarchiv und ist einer der wenigen, der Zugang zu den Magazinen hat. Dort lagern in rollbaren Regalen – mit einer Gesamtlänge von 15 Kilometern – Akten, Karten, Pläne und Fotos.

Foto: Verena Kensbock

Das älteste Dokument aus dem Jahr 1382 befasst sich mit Kerzenwachs. Es ist eine Stiftungsurkunde eines Bürgers an die heutige Lambertuskirche. Er wollte offenbar sichergehen, dass das gespendete Geld tatsächlich dorthin fließt, wo er es haben wollte: in Kerzenwachs. Damit daraus eben jene Kerzen in der Kirche entstehen, die er in Hoffnung und Gedenken an seine Familie entzündete. Die Stadt Düsseldorf hat ihr Siegel daruntergesetzt, ganz offiziell – es ist das erste städtische Schriftstück, das heute in einem Dokumentenschrank des Stadtarchivs ruht. Und es dürfte viele andere überdauern, aber dazu später mehr.

Die Tür, die in die unzugänglichen Magazine des Archivs führt, ist eigentlich ein Lastenaufzug. Nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Berechtigung, in den Keller zu fahren, aus Sorge um die Ordnung, sagt Archivleiter Benedikt Mauer. Landen Dokumente im falschen Regal, seien sie nur schwer wieder auffindbar. Das Inventar umfasst nämlich 15 Kilometer Regale voller Akten, Karten, Pläne, Fotos, Nachlässe. Und es wächst immer weiter. Ein Teil lagert im KAP1, der andere hier, auf 2000 Quadratmetern unter den Büroräumen und dem Lesesaal des Stadtarchivs.

Durch die Luftfeuchtigkeit
wird die Zeit aufgehalten

Historische Karten und Stadtpläne liegen gut geschützt in Kartons.

Foto: Verena Kensbock

Die Kellerräume sind gefüllt mit nummerierten, rollbaren Regalen, darin stapeln sich in Kartons die Akten. Der Boden hält mehr als eine Tonne pro Quadratmeter aus, die Zeitungen kämen durchaus auf ein solches Gewicht, sagt Mauer. Sortiert sind die Archivalien nach dem Provenienzprinzip. Das heißt, sie werden nach ihrer Herkunft zusammengefasst und geordnet – Oberbürgermeisterbüro, Oper, Straßenbau, Jugendamt zum Beispiel.

Die Temperatur liegt zwischen 18 und 20 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit bei 50 Prozent – so lässt sich die Zeit verlangsamen. Denn in einem klimatisierten, trockenen Raum zerfallen die Schriftstücke zehnmal langsamer. Hier kommen wir zurück zur Kerzenwachs-Urkunde von 1382: Die Schrift ist trotz ihrer Akkuratesse für Ungeübte nur schwer lesbar, das Pergament leicht gelblich, eingeschlagen in eine Hülle ohne Weichmacher. Obwohl – oder gerade weil – das Schriftstück schon 641 Jahre alt ist, ist es nahezu unverwüstlich, sagt Benedikt Mauer. „Die ganz alten Stücke machen uns am wenigsten Arbeit.“ Denn Pergament und Büttenpapier enthalten kaum Säure und sind darum per se lange haltbar. Anders verhält es sich mit Archivalien ab Mitte des 19. Jahrhunderts, die auf holzhaltigem Papier entstanden. „Das zersetzt sich selbst“, sagt der Leiter des Stadtarchivs. Um diesen Prozess zu verlangsamen, hilft die Regulierung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Langfristig aber müssen sie aufwendig entsäuert werden.

Noch kälter ist es in der Kühlkammer – das Thermometer zeigt 10,4 Grad Celsius. Dort lagern die Mikrofilme. Das ist ein Verfahren, um die Inhalte von Archivalien auf einem separaten Medium zu bewahren. Die Filme aber mögen es besonders kühl – und werden heute vermehrt durch digitale Scans ersetzt.

Das älteste Dokument im Archiv: Eine Urkunde aus dem Jahr 1382, die eine Kerzenwachs-Spende beglaubigt.

Foto: Verena Kensbock

Fährt man mit dem Lastenaufzug wieder ans Tageslicht, findet man dort noch das Fotoarchiv. Das ist mittlerweile größtenteils digitalisiert, die historischen Aufnahmen verbreitet das Stadtarchiv auch auf seinen Social-Media-Kanälen. Die älteste Fotografie stammt aus dem Jahr 1855 und zeigt den Burgplatz. Die meisten Gebäude, die darauf zu sehen sind, stehen nicht mehr, die Einmündung in die Mühlenstraße aber ist nahezu unverändert.

Trotz des geheimnisvollen Rufs sind das Stadtarchiv und die Dokumente öffentlich und für jeden zugänglich. Das betont Benedikt Mauer. Anders als früher, als man für die Einsicht eine Erlaubnis brauchte, sind heute alle Schriftstücke und Fotografien einsehbar. Vorausgesetzt die Schutzfrist ist abgelaufen. Das ist bei personenbezogenen Unterlagen zehn Jahre nach dem Tod der Fall, bei allen anderen 30 Jahre nach Abschluss, zum Beispiel nach der Fertigstellung eines Bauprojekts. So kommen jeden Tag Geschichtsinteressierte in den Lesesaal, Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung, Heimatforscher, Schüler, Studierende, Doktoranden.