Tafel für die „stillen Helden“ Neyses
Eine Gedenktafel am Kaiser-Wilhelm-Ring soll an die Retter der Jüdin Erna Etscheit erinnern.
Am 17. September 1944 klingelte es an der Haustür am Kaiser-Friedrich-Ring 65. Hier wohnte das Ehepaar Hilde (1909-1948) und Joseph Neyses (1893-1988) mit seinen beiden kleinen Kindern, dem fünfjährigen Peter und der dreijährigen Angela. Vor der Tür stand eine als Jüdin verfolgte Bekannte, Erna Etscheit — und bat um die Hilfe des Paares.
Das Ehepaar Neyses hatte den Kontakt mit ihr trotz des sozialen Drucks nie abgebrochen. Sie hatten ihr immer signalisiert, dass sie im Notfall helfen würden. Nun war der Ernstfall eingetreten. Nur durch ihren nichtjüdischen Ehemann war sie vor einer Deportation geschützt gewesen. Nachdem dieser im März 1944 verstorben war, erhielt sie von der Gestapo die Aufforderung, sich am Nachmittag jenes 17. Septembers um 16 Uhr zum Abtransport am Schlachthof einzufinden.
Trotz der beiden kleinen Kinder nahm die Familie die Frau im Haus auf. Insbesondere Hilde Neyses organisierte die zusätzliche Verpflegung und brachte dem kleinen Sohn bei, gerne mit Erna verstecken zu spielen, insbesondere, wenn es an der Tür schellte.
„Alle Beteiligten, Erna Etscheit und die Familie Neyses, überlebten. 1981 wurden der 88-jährige Joseph Neyses und posthum seine Frau Hilde vom Staat Israel als ’Gerechte unter den Völkern’ geehrt“, so erzählt es Bastian Fleermann von der Mahn- und Gedenkstätte, die an diese mutigen Menschen erinnert. Kürzlich tauchten Klaus Riekenbrauk und Horst Fehmers in Düsseldorf auf, Freunde seit ihrer Kindheit in Niederkassel. Sie kannten die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel, wo man den Neyses den Ehrentitel verliehen hatte. Warum aber, fragten sie sich, gab es nichts am Ort des Geschehens?
Das soll sich ändern. Dafür sorgen die Freunde Riekenbrauk und Fehmers, die Mahn- und Gedenkstätte und die Bezirksvertretung. Die ersten 1600 Euro sind zusammen, um das Ehepaar Neyses nun als „Stille Helden“ auch in Niederkassel zu ehren. Gedacht ist an eine Erinnerungstafel gegenüber vom Wohnhaus der Neyses in Form eines Lesepultes aus nicht-rostendem Stahl auf dem Rheindamm.
Bei einem Pressegespräch im Verkehrs- und Verschönerungs-Verein schilderte Bastian Fleermann, wie es zu dieser lebensbedrohlichen Courage des Ehepaars kam. Die Alliierten setzten im September 1944 mehrere Luftlande-Divisionen hinter den deutschen Linien am Niederrhein ab. Da schickten die Nazis einen großen „Mischehe-Transport“ vom Schlachthof über den Güterbahnhof in Zwangslager und Konzentrationslager. Zur Erklärung: Eine Mischehe bestand nach dem Vokabular der Nazis aus einem arischen und einem jüdischen Ehepartner. In diesem Transport sollte sich auch Erna Etscheit befinden.
Es muss ein „chaotischer Transport“ gewesen sein, wobei die Opfer gar nicht mehr registriert wurden. Etscheit aber fand von September 1944 bis März 1945 einen sicheren Unterschlupf im Gartengeschoss am Rheinufer.
Zum Lebenslauf des Ehepaars Neyses nur so viel: Joseph Neyses war seit 1926 Dozent am Robert-Schumann-Konservatorium, leitete seit 1920 ehrenamtlich den Bachverein und weigerte sich als gläubiger Katholik und Zentrums-Anhänger nach 1933, einer NS-Organisation beizutreten. 1936 heiratete er die Tänzerin Hilde Möllenhoff. In den letzten Kriegsmonaten wurde er zum Militärdienst eingezogen, desertierte im März 1945 und tauchte bei seiner Familie unter, die wegen der Bombardierung ins Sauerland geflohen war. Erna Etscheit aber blieb und wurde bis zum Einmarsch der Alliierten von einer Nachbarin versorgt. Joseph Neyses leitete später das Robert-Schumann-Konservatorium.