Tafel in Düsseldorf Nachfrage bei der Lebensmittelausgabe „Rathgeber“ ist riesig

Düsseldorf · Die Ausgabestelle „Rathgeber“ kann nicht mehr alle Menschen aufnehmen, die sich anmelden wollen. Während die Zahl der Bedürftigen steigt, ist die der Spenden zurückgegangen. Neuerdings gibt es vor Ort ein Nummern-System.

Susanne Schulte vom Projekt „Rathgeber“ bei der Essensausgabe.

Foto: Sophia Kupferschmidt

Heiko P. steht an der Essensausgabe der Tafel am Rather Familienzentrum. Er kann zwischen Backwaren, wie frischem Körnerbrot oder auch Süßem, wie Kuchen oder Quarktaschen wählen. Heute hat er Glück: Er hat eine der vorderen Nummern gezogen und gehört damit zu den Ersten, die Lebensmittel erhalten. Denn: In der Ausgabe „Rathgeber“ gibt es neuerdings ein Nummern-System. Jeder Bedürftige erhält im Vorhinein eine Nummer, die die Reihenfolge festlegt, in der die Lebensmittel verteilt werden. Die Nummern wechseln – so, dass jemand, der in der einen Woche eine hintere Nummer gezogen hat, beim nächsten Mal früher dran ist. Ziel ist eine bessere Planung, erklärt Susanne Schulte, verantwortlich für das Projekt „Rathgeber“. Auf diese Weise müssen die Personen im Winter nicht lange in der Kälte warten. Zudem werde durch die Rotation eine höhere Fairness gewährleistet.

Es gibt in Rath immer mehr Bedürftige, die die Hilfe in Anspruch nehmen, erzählt Schulte. Kürzlich wollten sich beispielsweise etwa 200 Personen neu anmelden – der Rathgeber hatte aber nur noch zwei Plätze zu vergeben. Somit mussten an diesem Tag 198 Menschen abgewiesen werden. Außerdem: Das Projekt bekommt immer weniger Lebensmittel zur Verfügung gestellt. Schulte erklärt sich das mit den gestiegenen Energiekosten. „Die Supermärkte kalkulieren jetzt anders, damit sie weniger weggeben müssen.“ Hinzu komme, dass Tafeln durch Food-Sharing-Angebote, wie beispielsweise „Too Good To Go“, mehr Konkurrenz erhalten. Heiko P. spürt diese Veränderung unmittelbar. „Ich bekomme ein Drittel weniger an Lebensmitteln.“ Mit dem Einkauf bei der Tafel muss er zwei Wochen lang auskommen. „Wenn kein Brot angeboten werden würde, würde ich das gar nicht schaffen.“

Den Rathgeber dürfen Familien oder Senioren ab 65 Jahren aus Rath nutzen, die ihre Bedürftigkeit nachweisen können. Eine Person darf alle 14 Tage dort einkaufen. Auf den Tischen sind beispielsweise Obst und Gemüse, Konserven mit Fertiggerichten, zum Beispiel Nudelsoßen oder auch Tofuprodukte, aufgestapelt. Erfahrungsgemäß weiß Schulte, dass das zu wenig ist. „Das ist heute ein trauriges Bild“, sagt sie beim Besuch der Redaktion. An diesem Tag kauften 70 Menschen vor Ort ein – viele davon für einen Haushalt mit acht bis zehn Personen. Schulte weiß, dass die Situation bei anderen Tafeln ähnlich aussieht. Allerdings sei Rath schon ein „sozialer Brennpunkt“, räumt sie ein.

Gestiegene Lebenshaltungskosten sind Grund für hohe Nachfrage

Bäckereien geben verschiedenen Sorten Brot an den Rathgeber ab.

Foto: Sophia Kupferschmidt

Als Grund für die gestiegene Nachfrage sieht sie unter anderem die gestiegenen Lebenshaltungskosten. „Außerdem ist die Hemmschwelle nicht mehr so groß, zur Tafel zu gehen – das finde ich auch gut.“

Im „Rathgeber“ engagieren sich etwa 25 Ehrenamtliche. Zwei davon sind Gabriela Suarez und Hiltrud Boeger-Plumanns. „Ich engagiere mich hier, weil ich etwas Soziales machen wollte“, sagt Suarez. Ursprünglich arbeitete sie in der Modebranche. Nach dem Tag in der Lebensmittelausgabe gehe sie zwar mit einem positiven Gefühl nach Hause. „Ich finde es aber erschreckend, wie viele Menschen auf die Tafel angewiesen sind, und wie viele Lebensmittel weggeschmissen werden würden.“ Ähnlich sieht das Boeger-Plumanns: Der Zahnärztin macht die Arbeit mit Menschen Spaß – sie sieht sich bei der Tafel darüber hinaus als „Lebensmittelretterin.“

Insgesamt bleibe den beiden bei der Arbeit wenig Zeit für Gespräche. Allerdings kennen sie die Menschen, die regelmäßig einkaufen. Boeger-Plumanns versuche, dann ein kurzes Gespräch zu führen. „Ich frage die Kunden, wie es ihnen geht – oder frage, was los ist, wenn jemand traurig aussieht.“ Susanne Schulte sieht die Tafel nicht nur als Essensausgabe, sondern auch als sozialen Treffpunkt. Die Menschen haben dort eine Anlaufstelle und können weitervermittelt werden, wie beispielsweise an die Schuldnerberatung. Auch Heiko P. fühlt sich beim Rathgeber wohl. Er erkundigt sich nach dem Urlaub einer Mitarbeiterin – und verlässt das Familienzentrum mit zwei gefüllten Taschen an Lebensmitteln.