Jubiläumsschau im Düsseldorfer Kunstverein enttäuscht Aufklärer verschläft das Höhlengleichnis
Düsseldorf · Der Düsseldorfer Kunstverein feiert 30 Stipendiaten mit einer Ausstellung am Grabbeplatz.
Die Gesellschafter der traditionsreichen Firma de Haen-Carstanjen & Söhne vergeben seit 20 Jahren Atelierstipendien, das ist beispielhaft und lobenswert. Aber wenn der Kunstverein den 30 Stipendiaten der vergangenen zehn Jahre erlaubt, nur je ein Werk Revue passieren zu lassen, wobei nichts zusammenpasst, so hat zumindest der Besucher ein Problem. Metalltröten auf dem Boden, informelle Kunst an der Wand und ein angelehntes Furnierrelief mit Sound-Begleitung, das sich auch noch „Routine 8“ nennt, ergibt keine schlüssige Ausstellung. Das Publikum bleibt außen vor. Eine Jury war offensichtlich nicht eingeplant.
Selbst interessante Werke werden in diesem Sammelsurium nivelliert. Anna Vogel gewann 2020 mit einer ähnlichen Arbeit wie jetzt gezeigt den Wettbewerb für Kunst im neuen Bahnhof der U81 am Flughafen und wartet auf den Baubeginn, aber ihre raffinierte Technik, mit dem Cutter die Oberfläche des Fotos zu zerstören und doch ein Bild zu schaffen, geht im Allerlei und Einerlei unter. Moritz Krauth, ein Tausendsassa der Szene, verwurstet seine Familie mit einem Text des Autors Michael Ende, aber gesellt dazu recht simple Zeichnungen.
Es gibt einen keramischen Lindwurm der ehemals sehr guten Fotokünstlerin Marion Benoit oder ein klapperndes Performance-Objekt von ihrer Kollegin. Der mehrfach preisgekrönte Harkeerat Mangat, der einst die Bewohner vom Fürstenplatz zum Mitspielen animierte, präsentiert seinen hölzernen Aufbau im Mataré-Haus im Video als Achterbahn, aber mit all diesen Angeboten kann der Außenstehende nichts anfangen.
Für das Schmidt-Rottluff-Stipendium in den benachbarten Räumen der Kunsthalle wurden jeweils ganze Komplexe eines Stipendiaten zusammengestellt und von informativ gestalteten Katalogen begleitet. Im Kunstverein aber gibt es zwar Lustiges wie den „Duschenden“ des Duos „Konstitutiv der Möglichkeiten“, aber von den pulverbeschichteten Edelstahlrohren vor blauen Jalousien kommt selbst ein Fantasiebegabter nicht auf Rodins „Eherne Zeithalter“.
Im Zeitalter von Krisen, gesellschaftlichen Problemen und Zukunftsängsten erwartet der Besucher mehr als nur den Jux mit der Kunstgeschichte. Er wüsste auch gern, wer die Schöpfer dieser Arbeiten sind, aber Namen sind in der Schau Schall und Rauch. Wer sie wissen will, muss auf einer Grundriss-Skizze suchen. Selbst der Katalog enthüllt nichts Wesentliches, er ist eher ein Parlando, wobei sich Nicholas Grafia in einer viel zu langen Fotosequenz auf dem Sofa im ehemaligen Wohnzimmer von Mataré sehr wohl fühlt.
Sollten die Kreativen wirklich monatelang Seite an Seite im noblen Mataré-Haus mit dem wunderbaren Garten tätig gewesen sein, hätte doch der Funken von einem zum anderen überspringen müssen. Berit Schneidereit ist mit ihren Durchblicken und Reflexionen vielerorts bekannt, ihr dunkles Schattenspiel der Natur vor einer silbernen Kunststofffolie ist ein Lichtblick, aber es bleibt ein Solitär. Johannes Bendzulla ist eine glanzvolle Erscheinung in der Szene, vielfach ausgezeichnet und inzwischen mit einem Lehrauftrag an der Kunstakademie versehen, aber seine Persiflage mit reinen, weißen Computerzähnen, die von bösen Tieren mit aufgerissenem Maul angegriffen werden, tut in diesem Milieu noch nicht einmal einem Zahnarzt weh.
Immerhin gibt es zwei Ausnahmen: Felix Reinecker lässt in seinem handgemalten Animationsfilm nicht nur die Vögel ziehen, sondern zeigt ein alleingelassenes Ego. Eines der wenigen Werke, die sich mit der Existenz des künstlerischen Ichs beschäftigen und damit Fragen stellen, statt Scherze zu machen. Und Jan-Luka Schmitz malt im „Letzten Aufklärer“ einen armen Teufel, der das Höhlengleichnis des antiken Philosophen Platon missversteht, denn er schläft vor der brennenden Kerze den Schlaf des Gerechten. Dieser Kerl wird den Weg zum Licht der Erkenntnis nicht gehen, sondern in der Höhle bleiben und Wurzeln schlagen.
Info Ausstellung „20 Jahre dHCS-Stipendium“, 33 Arbeiten von rund 30 Künstlern, kuratiert von Kathrin Bentele und Dietmar Lutz; Grabbeplatz 4, bis 25. Februar 2025, Dienstag bis
Sonntag 11 bis 18 Uhr.