Tausendundeine Nacht am Hauptbahnhof in Düsseldorf
Das kreative Düsseldorf nimmt sich im Sommer die Gegend um den Hauptbahnhof vor. Künstler feiern ungewöhnliche Helden und kleiden das Milieu neu ein.
Das größte Kulturprojekt für 2018 ist dem Düsseldorfer Hauptbahnhof gewidmet, jenem kulturellen und subkulturellen Milieu zwischen sogenanntem Maghreb-Viertel und Gerhard-Hauptmann-Haus, zwischen Rotlichtmilieu, Drogenszene und Flüchtlingsunterkunft, wo Multikulti und Radikalisierungstendenzen einander gegenüberstehen. Diesmal wird nicht protestiert, sondern eher gefeiert, gelästert, gefilmt, getanzt und unter viel Hallo eine gigantische Faust zum Zeichen der Revolution aufgestellt. Sie steht auf einem himmlisch-blauen Sockel, ist dekorativ und modisch. Ihre Finger haben allzu lange, bunte Nägel. Das Werk von Jan Hoeft ist doppelsinnig und schick. Das Motto des Ganzen aber heißt: „Von fremden Ländern in eigenen Städten“. Am 2. Juni geht es los.
360 000 Euro stehen bislang bereit. Es ist das größte Projekt im öffentlichen Raum, das unter der Ampel-Koalition zustande kommt. 120 000 Euro zahlt das Kulturamt, 180 000 Euro steuert die Kunststiftung NRW bei, 50 000 Euro geben das Land und 10 000 die Diakonie. Eventuell machen auch Immobilien-Investoren wie Catella mit, so dass der Etat noch höher liegen könnte. Veranstalter ist eine Gemeinschaft aus MAP (Agentur von Markus Ambach), FFT, Tanzhaus NRW und Filmwerkstatt, mit Markus Ambach als Projektleiter.
Neil Beloufa, Franzose mit nordafrikanischem Migrationshintergrund, Preisträger der Oberhausener Kurzfilmtagen, wird einen Film im Rotlichtmilieu drehen. Pola Sieverding arbeitet an einem Memorial über das Verschwinden von Alltagskulturen in städtischen Randgebieten. Ihr Hauptheld ist der einstige Box-Papst Wilfried Weiser in dessen legendärem Milieu an der Vulkanstraße.
Für eine große Verwandlung wird Manuel Graf sorgen. Düsseldorfs berühmter Animationskünstler will die postmoderne Architektur am Bertha-von-Suttner-Platz ins Milieu der persischen 4-Iwan-Moschee transportieren. Das gelingt ihm mit Projektionen arabischer Muster auf den Betonbrutalismus. Der Antes-Brunnen wird sich dabei in ein Wasserbecken aus Tausendundeiner Nacht verwandeln.
(Manuel Graf will die Gebäude am Bertha-von-Suttner-Platz in eine persische Großmoschee verwandeln. Animation: Manuel Graf)
Ausgerechnet am Bahnhof erwacht diesmal sogar Düsseldorf als Modestadt. Ines Doujak plant eine alternative Modenschau mit Dekors wie Gefangenen-Ketten und Feuermotiven von Demonstrationen. Gespannt darf man auch auf Natascha Sadr Haghighians Arbeit sein. Sie will eine bislang unbekannte Passage öffnen, die allerdings nicht unter dem Worringer Platz liegt. Sie verrät nur so viel, dass der neue Durchgang große Veränderungen im Stadtraum mit sich bringen wird.
Alex Wissel, der es mit seinem Rheingold-Film (Kooperation mit Jan Bonny) Anfang März zur Weltpremiere in der Volksbühne Berlin bringt, knöpft sich in Düsseldorf voraussichtlich die Falafelbude am Stresemannplatz vor. Mitstreiterin ist seine Partnerin Maximiliane Baumgartner.
Spannend dürfte es in der Bahnhofsmission zwischen den Bahnsteigen 11/12 und 13/14 im Hauptbahnhof werden. Dort wollen Barbara Kempnich und Neele Behler nicht nur Gestrandeten helfen, sondern auch mit Leuten aus dem Quartier kleine Wunderkammern bauen und anschließend im Immermannhof installieren. Die guten Geister der Diakonie arbeiten mit den österreichischen Zwillingen und Akademieprofessorinnen Christine und Irene Hohenbüchler zusammen, die für ihre Arbeit mit Randgruppen berühmt sind.
Düsseldorfs Grande Dame Katharina Sieverding beteiligt sich an dem Projekt. Sie will einen langen Bilderfries auf der Fassade des Central anbringen. Andreas Siekmann, der einst in Düsseldorf studierte und im Marokkaner-Viertel an der Ellerstraße gewohnt hat, bevor er Professor in Berlin-Weißensee wurde, will zwei Wahlkabinen hydraulisch ständig nach oben befördern und so den Bürgern gleichsam das Wahlrecht entziehen.
Neben den zehn großen Kunst-Projekten im öffentlichen Raum soll es sechs Aufführungen mit Tanz, Theater, Film und Musik geben. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein, machen doch auch Schauspielhaus, Zentralbibliothek, Literaturbüro und die Off-Räume von der Ackerstraße mit. Tanzhaus NRW und FFT planen eigene, neue Produktionen.