Wohnungsmarkt Wer in Düsseldorf für Bauen, bauen, bauen steht, wird die Wahl verlieren

Düsseldorf · Analyse Auch wenn nichts besser gegen hohe Wohnkosten helfen mag: Wer schon in Düsseldorf wohnt, will meist nicht, dass es immer dichter und voller wird. Schon gar nicht an den Rändern der Stadt, aber auch nicht zentral.

In den letzten Jahren werden in Düsseldorf viele Wohnungen gebaut. Doch den hier bereits Wohnenden gefällt das nicht so sehr.

Foto: picture alliance / dpa/Martin Gerten

Nein, der Wahlkampf hat natürlich noch nicht begonnen. Es gibt ja außer Amtsinhaber Thomas Geisel nicht einmal andere Spitzenkandidaten. Aber subkutan spielt die Kommunalwahl im Herbst 2020 im Rathaus längst eine wichtige Rolle. Und immer deutlicher zeichnet sich auch schon ab, was das entscheidende Thema – neben der Verkehrswende – sein wird: Wohnen. Oder genauer: Bauen.

Folgende These sei gewagt: Die Partei und der oder die OB-Kandidat(in), die den Düsseldorfern am glaubhaftesten versichern, dass sie nicht die Stadt flächendeckend zubauen mit neuen Wohnhäusern, werden gewinnen.  Das heißt wohlgemerkt nicht, dass es in der Sache verkehrt wäre, schneller mehr neue Wohnungen zu bauen, um den enormen Druck auf den Düsseldorfer Wohnungsmarkt etwas zu mildern. Es heißt vielmehr, dass die  noch vor einigen Monaten von Geisel ausgegebene Losung „Bauen, bauen, bauen“ wahltaktisch mit ziemlicher Sicherheit zur Bruchlandung führen wird.

Denn die Menschen, die schon in Düsseldorf wohnen, haben (subjektiv) kein Interesse daran, dass die Stadt immer dichter bebaut wird. Sie wollen nicht, dass sich der Charakter ihres Viertels gravierend verändert. Dass es immer enger wird mit all den bekannten Folgen: volle Straßen, volle Bahnen, volle Kitas, volle Schulen, volle Sportvereine, volle Altenheime und so weiter und so fort.

Der Regionalplan war ein gefundenes Fressen für die CDU

Die CDU setzt schon jetzt bewusst auf die Abwehrreflexe, die aktuell zum Beispiel in Kalkum oder Hubbelrath laut werden und sich mit Wucht gegen die dort geplanten Neubauten wenden – mögen sie auch (wie vor allem in Kalkum) noch so maßvoll erscheinen. Als es letzte Woche im Rat um den „Klima-Notstand“ ging, zog die CDU (in Person von Alexander Fils und Annelies Böcker) prompt die Anti-Bau-Karte: „Wenn Sie wirklich etwas gegen den Klimawandel tun wollen, dann lassen Sie nicht zu, dass jetzt auch noch Grünflächen zubetoniert werden“, riefen sie dem OB, aber auch den Grünen zu. Ein gefundenes Fressen für die CDU war zuvor die Regionalplanung der Bezirksregierung, die an so mancher grünen Stelle in der Stadt (sogar am Rande des Grafenberger Waldes) reichlich unsensibel Wohnungsbau vorschlägt. Zwar werden Stadtspitze und das Ampel-Bündnis solchen Planspielen natürlich nicht folgen, Erregung und Wut in der Bürgerschaft wurden aber schon mal aktiviert.

Proteste von Anwohnern gegen Neubauten: Dieses Muster findet sich aktuell in vielen boomenden „Schwarm-Städten“ Deutschlands: In Berlin stoppte ein Volksbegehren jegliche Bebauung des riesigen Tempelhofer Feldes; auch in Hamburg, Bremen, Köln oder Frankfurt torpedieren sublokale Bürgerinitiativen Bauvorhaben. Für Politiker ist dieses im Englischen unter dem Akronym „Nimby“ (Not in my backyard, deutsch: nicht in meinem Hinterhof) grassierende Phänomen brandgefährlich. Denn es gilt eben nicht nur in noblen Außenvierteln wie Kalkum oder Hubbelrath. Auch Nachverdichtungen und das beliebte In-die-Höhe-Bauen in den ohnehin sehr urbanen Vierteln werden vor Ort immer kritischer gesehen.

Rein sachlich kennen zwar Experten nach wie vor kein besseres Mittel gegen zu hohe Wohnkosten als das Angebot zu vergrößern, sprich: zu bauen. Doch viele Düsseldorfer sehen es anders. Ihre Bestandsmiete ist moderat, wird selten erhöht, zudem ist das deutsche Mietrecht ein starker Kündigungsschutz. Langfristig allerdings, zum Beispiel durch Hauseigentümer-Wechsel, werden auch die Wohnkosten im Bestand stärker ansteigen, wenn die Nachfrage das Angebot dauerhaft übersteigt. Dann wird es wohl wirklich so sein, dass die vielzitierte Krankenschwester oder der Polizist in Düsseldorf nicht mehr wohnen können, weil es zu teuer für sie ist.

Menschen blicken aber gewöhnlich nicht in die fernere Zukunft, sondern  halten es lieber mit dem berühmten Diktum des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, der einst schrieb: „Auf lange Sicht sind wir alle tot“. Will meinen: Was zählt, ist kurzfristig. Und deshalb darf man sicher sein, dass alle Parteien und Politiker in Düsseldorf umso weniger von neuen Bauprojekten sprechen werden, je näher der Wahltag rückt.