Stadt-Teilchen Von den schönen und nicht so schönen Türen in Düsseldorf
Düsseldorf · Mehr Engagement für die Entrée-Bereiche: Das fordert unser Gastautor Hans Hoff nach einem Streifzug durch die Stadt.
Als ich neulich mal wieder durch die Stadt stapfte, wagte ich auf der Kronenstraße einen kurzen Seitenblick und wurde jäh aus meiner Spazierroutine gerissen. Ich stutzte einen Moment, denn ich sah etwas, das mich außerordentlich faszinierte. Es war eine schöne Tür, die meine Aufmerksamkeit so nachhaltig bannte, um nicht zu sagen: Eine sehr schöne Tür. Sie ist dreiflügelig, aus Holz und gemustertem Glas, und über dem Glas spannt sich ein feines Gitter, das an den Punkten, wo die schwarzen Metallstäbe aufeinander treffen, mit einer Messing-Blüte verziert ist. In der Mitte, wo sich die eigentliche Tür befindet, ziert ein messingfarbener Knauf dieses Kunstwerk, welches ich nicht anders nennen mag, weil es davon zeugt, wie viel Mühe sich hier jemand gegeben hat.
Einzig das Schloss stört ein wenig, weil es in seiner Silberfarbigkeit so stark mit dem vielen Messing, das ja ein bisschen immer den Anschein von Gold erwecken soll, kontrastiert. Auch ist an dieser Stelle offenbar ein bisschen was gemacht worden, denn das Holz um das Schloss glänzt heller als das der Resttür.
Ich stand eine ganze Zeit staunend vor dieser Tür und bewunderte ihre Dreifaltigkeit, ihre schlichte Eleganz, die Symmetrie der Seitenflügel. Ich wollte sofort in diesem Haus wohnen und mich jedes Mal, wenn ich heimkomme, an just dieser Tür erfreuen. Wahrscheinlich würde ich dann in Gedenken an eine meiner Lieblingsbands beim Aufschließen immer wieder „Ladies and Gentlemen, The Doors“ murmeln und dann mit der Hand übers warme Holz streichen.
Ich machte mir im Verlauf meines weiteren Ganges viele Gedanken über schöne Türen, die ja ganz offensichtlich darunter leiden, dass man sie nicht beachtet. Man benutzt sie tagtäglich und würdigt sie keines Blickes. Die meisten Türen sollen in erster Linie nützlich sind, Schönheit scheint da leider zweitrangig.
Ich machte mir Gedanken über die Art der Nutztürhaltung. Ich fragte mich, welche Haltung für eine Tür als artgerecht empfunden wird. Mein Blick war augenblicklich geschärft, was nicht in erster Linie der Verschönerung meines Tages diente. Was ich lange übersehen hatte und jetzt plötzlich ganz klar sah: Die gemeine Nutztür aus Metall oder Kunststoff ist eindeutig in der Mehrzahl, die schöne, die elegante Tür aus Holz ist eine Ausnahmeerscheinung. Sie wirkt wie etwas von früher, als Türen noch nicht genormt zu sein hatten, als man sie noch nicht von der Stange kaufen konnte, als sich noch jemand Gedanken machen musste, welche Tür zu welchem Haus passt.
Natürlich war das früher teurer, aber das erklärt ja nicht allein die ästhetische Vernachlässigung der Hauseingangspforte, die Hintenanstellung des Türwohls. Ich fragte mich prompt, was ich denn wohl gerne hätte, würde ich eines Tages mal beim Schöpfer anklopfen. Wäre mir dann eine praktische Himmelstür lieber als eine wohlgeformte?
Ich kam zu keiner Antwort. Das Gefühl verstärkte sich noch, als ich kurz in Berlin weilte und dort die Masse an schönen Türen bestaunte, zumindest in den Vierteln, in denen ich mich aufhielt, weshalb meine Beobachtungen nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein.
Zurück in Düsseldorf wurde es rasch wieder trist, und meine Euphorie dampfte ein zur leichten Depression. Ich sah überall nur noch Elend und rief innerlich nach dem Türschutzverein. Könnte nicht jemand verhindern, dass die Eingangsbereiche unserer Wohnstätten weiter so verkommen? Könnte nicht ein klein wenig Engagement für die Entrée-Gestaltung übrigbleiben? Muss es immer dieses hässliche Gemisch aus Stahl, Kunststoff und Glas sein, dem man schon nach wenigen Jahren ansieht, dass der Bau-Etat beim Aussuchen bereits überreizt war?
Da hilft kein Milchglas, da helfen keine Farben, keine drangeklätschten Briefkasten- oder Klingelanlagen, da muss auch wieder mal Holz her. Das ist zwar in der Wartung betreuungsintensiver, aber es will der Mensch es doch auch mal schön haben.
Vielleicht hülfe es ja, wenn mal ein Wettbewerb ausgelobt würde. In jedem Stadtteil stünde dann die schönste Tür zur Wahl, und das Ergebnis erzeugte dann ein bisschen Neid bei jenen, die nicht in die Endauswahl gekommen sind. Die würden sich schwören, dass sie beim nächsten Bau ein bisschen mehr auf die Gestaltung der Türen achten werden. Die schönsten Türen würden zudem in einen eigenen Stadtführer aufgenommen, der quer durch die Gemeinde Spaziergänge skizziert, die an just diesen Türen vorbeiführt. Die besten mutierten dann zu Wallfahrtsorten.
Und den Titel für die Tür-Pilger-Broschüre hätte ich auch schon parat: „Ladies and Gentlemen, The Doors.“