Wie Dima Zito Kindersoldaten hilft

Die Pädagogin und Trauma-Therapeutin arbeitet im psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge.

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Düsseldorf. Chérif ist gerade einmal zwölf Jahre alt, als Rebellen eines Nachts sein Heimatdorf in Guinea angreifen. Die Menschen stürmen aus den Häusern, rennen durcheinander. Chérif wird von seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder getrennt. Auf der Suche nach Hilfe stößt er Tage später auf eine Militärbasis. Die Regierungssoldaten rekrutieren den Jungen und setzen ihn fortan als aktiven Kämpfer ein. Drei Jahre lang kämpft Chérif.

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Bis er bei einer Straßenpatrouille Freunde seiner Eltern trifft. Sie helfen dem Jungen, zu entkommen. Chérif gelingt die Flucht aus Afrika. Chérif heißt in Wirklichkeit anders. Die Geschichte aber ist echt. Der Junge hat sie Dima Zito erzählt. Die Diplom-Sozialpädagogin und Trauma-Therapeutin arbeitet im psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf und hat für ihre Doktorarbeit Interviews mit 15 ehemaligen Kindersoldaten geführt.

Sie alle haben Zito an ihren schrecklichen Erfahrungen teilhaben lassen. Sie berichten von brutalen Zwangsrekrutierungen, von Entführungen. Davon, wie sie als Kinder zu Tätern wurden, ganze Dörfer überfielen, Kinder und Frauen töteten. „Wenn wir einen Überfall machen, und die Leute rennen: Wer das Schicksal hat, gefangen zu werden, den fangen wir, wer rekrutiert werden soll, um sich uns anzuschließen, wird sich uns anschließen, wer dazu nicht in der Lage ist, den töten wir oder wir schneiden die Hände ab. So müssen wir diesen Krieg führen“, sagt Abdul, 25, aus Sierra Leone in einem der Interviews.

Bewegt hat Zito auch die Schilderung eines anderen Jungen. „Er beschrieb bildlich das Vorgehen bei Angriffen auf ein Dorf. Die Familien wurden in einer bestimmten Reihenfolge getötet - erst die Babys, dann die größeren Kinder, zuletzt die Mutter“, sagt Zito. Laut dem Jungen ging es darum, ein Exempel zu statuieren. Um den Mitgliedern der bewaffneten Gruppe zu demonstrieren, dass Werte wie Bindung und Liebe keine Chance haben.

Im psychosozialen Zentrum Düsseldorf hatte Dima Zito bereits vor ihrer Doktorarbeit mit ehemaligen Kindersoldaten Kontakt. „Die traumatherapeutische Arbeit mit einem 16-jährigen Jungen aus dem Sudan war ein Schlüsselerlebnis“, sagt sie. In Zito wuchs der Wunsch, das Feld zu erforschen und in einer Doktorarbeit der Frage nachzugehen, wie ehemalige Kindersoldaten die traumatisierenden Erlebnisse verarbeiten.

Zito suchte bundesweit nach Gesprächspartnern, fand sie dank der Vermittlung verschiedener Einrichtungen und Organisationen. „Nicht jeder spricht offen über das Erlebte. Viele sind gehemmt, schämen sich“, sagt Zito.

Auch das Verantwortungsbewusstsein sei je nach Altersgruppe sehr unterschiedlich. „Diejenigen, die sehr früh als Kindersoldaten eingesetzt wurden, mit sechs oder sieben Jahren, erleben sich selbst als Opfer. Sie geben an, selbst noch ein Kind gewesen zu sein und keine Alternative gehabt zu haben. Diejenigen, die etwa neun Jahre alt bei der Rekrutierung waren, fühlen sich in der Verantwortung. Sie wissen zwar, dass sie Kinder waren, haben aber den Wunsch der Wiedergutmachung.“

Im psychosozialen Zentrum in Düsseldorf hat Dima Zito bereits mit einigen ehemaligen Kindersoldaten gesprochen. In der Therapie geht es nicht nur darum, das Erlebte aufzuarbeiten, sondern auch darum, die Lebensbedingungen in Deutschland zu verbessern.

„Der Junge aus dem Sudan beispielsweise lebte in einem Männerwohnheim und starrte tagtäglich die Wand an, dachte daran, sich umzubringen“, sagt Zito. Mit der Hilfe des psychosozialen Zentrums besuchte der Junge schließlich eine Schule. Mittlerweile hat er studiert, ist verheiratet und hat Kinder.