Düsseldorf „Wir könnten noch ganz viel abgeben“: Kinder erklären die Flüchtlingsproblematik
Kleine mit großem Durchblick: Vier Düsseldorfer Kinder erklären, wie wir mit der Flüchtlingsproblematik umgehen sollten — und warum das gerade zu Weihnachten wichtig ist.
Düsseldorf. Nach einem Jahr der Schlangen an den Grenzen, der Matratzenlager in Turnhallen, der Sonderzüge am Flughafenbahnhof und Modulbauanlagen in der Stadt hat man das Gefühl: Zum Thema Flüchtlinge ist allmählich alles gesagt. Und auch jeder hat schon was dazu gesagt. Die WZ hat jetzt aber ihre ganz eigenen Experten befragt: Jonas und Inga (beide acht Jahre), Cornelius (neun Jahre) und Benjamin (fast neun Jahre). Und diese Düsseldorfer Kinder wissen nicht nur ganz genau Bescheid — sie erklären auch, was das eigentlich alles mit Weihnachten zu tun hat.
Dass die Menschen, die vor allem aus Syrien nach Deutschland kommen, vor Bomben und Krieg fliehen, haben die vier in den Kindernachrichten im TV gesehen. „Der IS sagt ja, die machen das für Gott. Aber das stimmt nicht“, sagt Benjamin, und Jonas nickt nachdrücklich: „Ja, kein Gott will, dass man mit Gewalt kämpft.“ „Ich finde das richtig blöd“, ereifert sich die achtjährige Inga. „Die können doch nicht mit Gott reden und wissen, was er will. Es ist nicht immer so, wie man es sich denkt!“ Dass die Opfer dieser Blödheit jetzt bei uns aufgenommen werden, finden die Kinder richtig. Immerhin, so glaubt Benjamin, hat auch unser Land bestimmt etwas davon: „In Deutschland gibt es wenig Krieg — das ist an Deutschland schön. Wo die herkommen, sind die Gewürze schön.“ Sicherheit gegen Kardamom? Die Welt könnte so einfach sein.
Gar nicht einfach ist für die Flüchtlinge ihr Weg bis nach Deutschland, das haben auch die vier Unterbilker Kinder schon mitbekommen. „Manche Schlepper schicken die auf kaputte Boote“, sagt Jonas. „Die können sinken.“ „Vor allem bei einer großen Welle“, ergänzt Inga. Selbst abgefahrene Schmuggelverstecke kennt Benjamin: „Wenn sie klein sind, müssen sie in den Motorraum im Auto. Aber da sind Abgase!“
Gemerkt haben die Kinder selbst noch nichts davon, dass in Düsseldorf jetzt so viele Flüchtlinge leben. Benjamin hat zwar das Gefühl, dass in den letzten Wochen mehr Autos unterwegs waren — aber ganz sicher ist er nicht, ob die Flüchtlinge wirklich eigene Autos haben. „Bei uns oben im Dachboden wohnt einer!“, gibt Jonas da bekannt. Seine Eltern haben in der Mansarde ihres Mietshauses tatsächlich einen 25-jährigen Kongolesen aufgenommen. „Der hat früher in Afrika gelebt“, erklärt Jonas, „und dann in einer Turnhalle.“ Warum der junge Mann in seiner Heimat nicht mehr bleiben wollte, hat der Achtjährige ihn zwar so direkt noch nicht gefragt. Aber er weiß ja auch so: „Afrika ist heiß und voller Gefahren. Ich finde es schon besser, wenn er bei uns bleibt.“ Außerdem spielt der Flüchtling total gut Klavier.
Und überhaupt ist Weihnachten, und da muss man sich besonders auf die Flüchtlingsfrage besinnen: „Jesus und seine Familie!“, mahnt Jonas nur — und Benjamin führt fort: „Sie sind auch geflüchtet.“ Cornelius weiß sogar noch mehr: „Und König Herodes wollte Jesus töten. Der war nämlich eifersüchtig und neidisch. So wie die Leute, die heute die Flüchtlinge nicht wollen!“
Für die gibt es von unseren Expertchen keine Empathie — wohl aber für diejenigen, die Weihnachten nun nicht zu Hause verbringen können. „Ich ziehe ja auch bald um“, erklärt Cornelius und muss schlucken; er hat Tränen in den Augen. Dabei zieht seine Familie nur in eine größere Wohnung — im selben Stadtteil, er bleibt auf seiner Schule, in seinem Fußballverein. Aber einfach mal schnell rübergehen zu Jonas — das ist dann vorbei. Für die Freunde ist das schon ein Drama. Für sie ist es also keine Frage, was sie getan hätten, hätten Maria und Josef am Heiligabend an ihre Tür geklopft auf der Suche nach Herberge: „Mitfeiern lassen!“
Inga geht sogar noch weiter: „Ich würde Weihnachten auch mal opfern. Ich hatte Weihnachten ja schon, seit ich geboren bin.“ Dann könnten die Flüchtlinge ihre Wohnung haben, dort essen und spielen; sie und ihre Familie würden eben für die Dauer ausziehen. „Es ist so schön zu Hause — und die Flüchtlinge müssen draußen sitzen, wo es kalt ist.“
Und dabei ist rein rechnerisch doch alles ganz einfach: „Jeder könnte sich einen Flüchtling aussuchen und ihn beschenken“, schlägt Benjamin vor. Es gebe noch immer viel mehr Deutsche als Flüchtlinge — also hätte dann jeder Mensch ein Geschenk am Heiligabend. „Wir könnten noch ganz viel abgeben“, ist Cornelius sicher. Und das wünschen sich die jungen WZ-Experten zu Weihnachten: dass mehr Menschen mit denen teilen, die wenig haben. „Die können halt nicht bezahlen. Dafür können die ja nix“, sagt Inga. „Es geht nicht immer nur um Geld. Das gibt es wie Heu. Menschen sind viel wichtiger.“ Aber am meisten wünscht sich Cornelius, „dass der Krieg in Syrien und in anderen Ländern aufhört“. Denn dann könnte jeder zu Hause Weihnachten feiern. Das ist schließlich das Allerschönste am Fest.