Luftfahrt Wenn er arbeitet, scheint immer die Sonne
Flugkapitän Jens Schröder erzählt von seinem himmlischen Job — und wie es ist, durch die Wolken ins Licht zu fliegen.
Düsseldorf. Jens Schröder fliegt seit elf Jahren für Air Berlin. Der 35-jährige Flugkapitän lebt in Stockum.
Herr Schröder, heben Sie Weihnachten ab?
Jens Schröder: Nein, ich bleibe am Boden, ich habe bis zum 5. Januar Urlaub.
Unsere Weihnachtsausgabe steht unter dem Motto „Einfach himmlisch“. Als Pilot erleben Sie die Welt fast täglich von oben. Wie himmlisch ist das?
Schröder: Es ist tatsächlich himmlisch. Das Fliegen war zwar nie ein Kindheitstraum, aber der Beruf ist mein absoluter Traumjob. Wo sonst hat man auf der Arbeit so einen Ausblick?
Die Freiheit über den Wolken ist also grenzenlos?
Schröder: Ich sehe das nicht so transzendental. Schließlich muss ich bis zu 210 Passagiere plus Crew sicher ans Ziel bringen. Aber das Gefühl von Freiheit schwingt natürlich mit. Es gibt diesen unendlichen Bereich mit so viel Platz. Und dieser Platz ist grenzenlos.
Wie orientieren Sie sich in der Luft?
Schröder: Es gibt vorgegebene Routen, die von Leitsystemen koordiniert werden. Diese Routen werden ähnlich wie bei einem Navigationssystem abgeflogen. Zusätzlich wird das Ganze vom Boden durch Fluglotsen verfolgt.
Weihnachten 2015 Einfach himmlisch
Ist Ihnen Ihr allererster Flug noch in guter Erinnerung?
Schröder: Ja. Das war kurz nach dem 11. September 2001. Eine Zeit, die sensibel war. Ich hatte keinerlei Vorerfahrung und bin in der Ausbildung bei herrlichen 25 Grad in Florida von Venice nach Miami geflogen, in einem Zweisitzer, einer Chessna 152. Das war ein sehr besonderer Moment.
Kennen Sie dieses Gefühl heute noch?
Schröder: Oh ja. Als ich noch Co-Pilot war, wartete ich mit einem älteren Piloten, der kurz vor der Rente stand, in Palma de Mallorca auf die Starterlaubnis. Die Sonne ging unter. Er sagte nur „Das ist immer noch atemberaubend“. Dieses Gefühl habe ich heute noch und hoffe, es behalten zu können.
Was ist das Schwierigste am Fliegen?
Schröder: Die richtige Mitte zwischen dem ruhigen, entspannten Teil und dem, in dem man hochkonzentriert sein muss, zu finden. Das Multitasking läuft immer nebenher: Funkverkehr, das Überwachen der Systeme und immer hellwach sein.
Schon mal in Turbulenzen gekommen?
Schröder: Ja, kann man leider nicht immer vorhersehen oder vermeiden.
Fliegen Sie bei Gewitter?
Schröder: Nein, da wird nicht reingeflogen. Das Umfliegen wird mit den Lotsen abgesprochen. Aber manchmal sieht man diese mehr als zwölf Kilometer aufragenden Gewitterwolkentürme, die wie Ambosse aussehen und nicht zu überfliegen sind. Das sieht gigantisch aus.
Haben Sie Angst beim Fliegen?
Schröder: Respekt ja, aber keine Angst. Den Passagieren geht es oft anders. Rund ein Drittel hat Flugangst oder zumindest ein mulmiges Gefühl. Es ist oft auch ein Gefühl des Ausgeliefertseins, das man als Pilot nicht hat. Ich versuche immer, in engem Kontakt mit den Passagieren zu sein.
Ist es peinlich, wenn die Passagiere bei der Landung applaudieren?
Schröder: Geschäftsleute auf einem Flug nach München applaudieren nicht, auf einem Charterflug nach Hurghada sieht das anders aus. Der Applaus ist aber auch ein schönes Lob für eine gelungene Landung.
Der Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März hat nicht nur die Welt der Luftfahrt erschüttert. Was hat sich im Cockpit verändert?
Schröder: Das Vier-Augen-Prinzip hat sich seitdem eingespielt. Weder Pilot noch Co-Pilot dürfen allein im Cockpit sein. Ein Mitglied der Kabinenbesatzung muss auf einem dritten Sitz Platz nehmen, so lange Pilot oder Co-Pilot in die Kabine wechseln, um etwa die Toilette aufzusuchen.
Wie sehr hat dieses Unglück nachgewirkt?
Schröder: Das war hoffentlich ein Einzelfall. Da man in der gleichen Branche arbeitet, war das natürlich alles noch näher an einem dran.
Ist das Fliegen Routine?
Schröder: Nein. Man hat unterschiedliche Wetterlagen, unterschiedliche Kollegen, unerwartete Situationen. Kein Flug ist wie der andere. Das Fliegen ist immer noch ein Abenteuer, es gibt ja auch noch Destinationen, wo ich noch nie gewesen bin.
Wie himmlisch ist es denn nun da oben?
Schröder: Es gibt so viele Wolken- und Farbvariationen, das kann man gar nicht alles beschreiben. Man hat jedes Mal ein anderes, tolles Bild.
Was sehen Sie?
Schröder: Kristallklares Wasser, spektakuläre Sonnenauf- oder untergänge, schneebedeckte Gebirgsmassive, aufregende Gewitterwolken, den Eiffelturm im Miniaturformat. Es ist einfach ein tolles Gefühl, bei schlechtem Wetter in Düsseldorf zur Arbeit zu gehen, durch die Wolkendecke zu fliegen und nur noch die Sonne zu sehen.