Wo der Rhein geboren wird
Zwei Düsseldorfer haben die Quelle des Rheins besucht. In der WZ erzählen und zeigen sie, was sie gesehen haben.
Düsseldorf. Langsam schieben wir uns im Nebel und durch tief hängende Wolken über endlose Serpentinen die Straße zum 2046 Meter hohen Oberalppass hinauf. Das Erste, was wir durch den Dunst zu sehen bekommen, ist die rotleuchtende Kuppe eines Leuchtturmes, die den Restschnee des vergangenen Winters um ein paar Meter überragt. Ein Leuchtturm im Schweizer Kanton Graubünden — und das 2046 Meter über dem Meeresspiegel? Kann ja eher nicht sein, aber: Es ist keine Fata Morgana (Bild 1).
Wir steigen aus und finden hinter dem Schneeberg eine hölzerne Hütte, in der das „Infocenter Rheinquelle“ untergebracht ist. Das interessiert uns natürlich als alte Düsseldorfer, wo wir den Rhein ja als ganz selbstverständlich hinnehmen, ohne uns große Gedanken darüber zu machen, wo er denn eigentlich herkommt.
Unvorbereitet treffen wir also auf eine der Quellen vom alten Vater Rhein und lassen uns von den netten Schweizer Damen, die hier ihren touristischen Dienst tun, erklären, dass der Leuchtturm eben diese Stelle als Rheinquelle markiert. An der Wand hängt eine Karte, die den Verlauf des Rheins in seinem Ursprungsland Schweiz aufzeigt.
Wir entschließen uns spontan auf unserem Weg nach Hause, wo immer es möglich ist, den Flusslauf zu kreuzen. Es wird eine wunderbare Tour, auf der man beobachten kann, wie aus dem kleinen unscheinbaren Rinnsal erst ein reißender Gebirgsbach und dann langsam ein richtiger Strom wird.
Im Gasthof an der Rofflaschlucht (Bild 2) kehren wir ein. Hier durchfließt der Rhein ein enges Tal und stürzt sich mehr als zehn Meter in die Tiefe (Bild 3). „Vor 100 Jahren war die Schlucht noch unzugänglich, aber mein Urgroßvater hat das Tal in mühseliger, siebenjähriger Handarbeit begehbar gemacht und einen Steig in den Felsen gehauen, der unterhalb des Rofflafalles endet“, erzählt uns der Wirt im Gasthaus.
Natürlich wollen wir den Fall aus der Nähe sehen. Über den nassen und rutschigen Weg haben wir bald den Wasserfall erreicht und stehen direkt unter dem Fall, dessen Gischt uns gefährlich nahe kommt.
Auch an der malerischen Via Mala, die aus einem gleichnamigen Film mit Gerd Fröbe bekannt ist, kommen wir vorbei. Hier hat sich der sprudelnde Rhein durch einen 500 Meter hohen Kalkfelsen seinen Lauf in die Tiefe gefressen und eine atemberaubende Schlucht geschaffen (Bild 4 u. 5). Über einige Dutzend Stufen klettern wir hinab und lassen uns vom Getöse des dahin rauschenden Wassers betören.
Irgendwo an der Grenze zu Lichtenstein verlässt das tosende Wasser die hohen Berge und ergießt sich in ein breites Tal (Bild 6). Hier fließt der Rhein fast behäbig und erreicht bald den Bodensee. Bis nach Kreuzlingen fließt sein Wasser anonym durch den See, um dann durch einen Abfluss im Untersee zu landen.
In der historischen Stadt Stein am Rhein, die im Zweiten Weltkrieg versehentlich von den Amerikanern bombardiert wurde, wird er dann wieder zum Fluss (Bild 7) und strömt, klar und sauber, mit aller Gewalt weiter bis nach Schaffhausen. Hier stürzt das Wasser seit mehr als 14 000 Jahren über den 23 Meter hohen Rheinfall tosend und spektakulär in die Tiefe (Bild 8). 600 Kubikmeter Wasser rauschen im Sommer durchschnittlich pro Sekunde in die Tiefe und ergießen sich nun in die Rheinebene, um Richtung Düsseldorf zu fließen.