Die Staatsbibliothek Berlin eröffnet nach 16 Jahren Sanierung mit einer ganz neuen Anmutung „Ein großer Co-Working-Space“

BERLIN · . Hier ist es immer kurz vor halb elf. Die goldfarbenen Zeiger der riesigen Lesesaaluhr stehen auf 22 Uhr 25. Um die Zeit schlug die Fliegerbombe in der Preußischen Staatsbibliothek ein, damals, am 15. Februar des Kriegsjahres 1944. Inzwischen ist die Uhr etwas versteckt hinter einer offenen Treppe des Freihandmagazins zu finden.

Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf steht in der Haupttreppenhalle der Staatsbibliothek Unter den Linden.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Die Zeiger sind nicht mehr verbeult. Sie wurden saniert, wie auch der gesamte gigantische Bau um sie herum. Nach 16 Jahren Sanierung und 470 Millionen verbauten Euro eröffnet die Staatsbibliothek Berlin ihren Standort Unter den Linden am Montag, 25. Januar, im neuen Look.

Die 620 Arbeitsplätze in den sieben Lesesälen müssen noch leer bleiben. Coronabedingt kann die neu gestaltete Bibliothek vorerst nur digital erkundet werden, von Februar an ist zunächst wieder ein eingeschränkter Ausleihbetrieb vorgesehen. So steht Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf noch allein auf der ausladenden Treppe im sanierten Foyer. Über der Bibliothekschefin erstreckt sich das neue Tonnengewölbe von Stararchitekt Hans-Günter (HG) Merz, auf den das Gesamtkonzept der Arbeiten zurückgeht.

Die Treppe gehört zur nun wieder begehbaren historischen Achse durch den Gebäudekomplex mit Eingangshalle und Brunnenhof, über die Nutzer jetzt den bereits 2012 eröffneten großen Lesesaal erreichen können.

Neu gestaltet und saniert sind nun auch die Sonderlesesäle: an den Wänden umschließen dunkle Holzregale die Bücher, dazwischen finden sich die gradlinig gestalteten Arbeitsbereiche, deren in die Tische eingearbeiteten Linoleumflächen das leuchtende Orange des Teppichbodens aufgreifen. „Wir haben jetzt zu unseren großartigen Sammlungen auch großartige Räume“, sagt Schneider-Kempf. „Wir sind ein großer Co-Working-Space.“

Mannshoch ragt ein Globus in einem dieser imposanten Säle zwischen den Arbeitsplätzen heraus. Die an „Alice im Wunderland“ angelehnten Motive weisen auf das Thema dieses Bereichs: Hier können die etwa 200 000 Bände der bis ins 17. Jahrhundert zurückreichenden Sammlung von Kinder- und Jugendbüchern studiert werden. „Es gibt zwei Sammlungen in der Staatsbibliothek, die entweder nur im Westen oder allein im Osten entstanden sind“, erläutert Schneider-Kempf. Auf die Stabi West geht die Ost-Europa-Sammlung zurück. Dem Osten verdankt die vereinte Staatsbibliothek die Kinder- und Jugendbücher.

Die Partitur von Beethovens Neunter Sinfonie liegt im Tresor

Im Musiklesesaal blättert die Generaldirektorin im Faksimile der imposanten Partitur von Beethovens Neunter Sinfonie, ein Exemplar davon hat sie stets griffbereit in ihrem – dem alten Gebäude entsprechend – repräsentativen Büro. Beethovens Original liegt im Tresor der Staatsbibliothek, zusammen mit weiteren Handschriften wie Mozarts „Zauberflöte“ und anderen großen Opern oder 80 Prozent von Bachs Handschriften, darunter die Passionen. Es sind nur einige der Schätze unter den etwa 25 Millionen Medien und Objekten.

Die 1661 gegründete Staatsbibliothek gilt als eine der wichtigsten Bibliotheken weltweit und ist die größte wissenschaftliche Universalbibliothek im deutschsprachigen Raum. Auch wegen dieser Bedeutung für die Nutzerinnen und Nutzer wurde die Stabi seit 2005 weitgehend neben dem laufenden Betrieb saniert. Das hat die Arbeiten nicht erleichtert – und deutlich verteuert. Ursprünglich sollte die Sanierung des riesigen Komplexes mit gut 100 000 Quadratmeter Grundfläche am Boulevard Unter den Linden zunächst 2012, dann 2016 beendet sein. Für die Kosten standen mal 326 Millionen Euro in den Unterlagen, nun wurden es 470 Millionen.

Für die künftige Arbeit wünscht sich Schneider-Kempf „wesentlich mehr Autonomie“ für die Staatsbibliothek. Bisher steckt das Haus unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der Wissenschaftsrat hatte die Arbeit der Staatsbibliothek in einer Analyse sehr positiv bewertet und für „fachliche Unabhängigkeit“ der Einrichtung geworben.

Jenseits solcher Strukturpolitik stehen weitere mächtige Projekte an. Ein geplantes Bibliotheksmuseums soll in diesem Jahr entstehen. Und dann ist da neben dem Standort Unter den Linden noch das zweite Haus am Potsdamer Platz. Der gut 40 Jahre alte Bau von Hans Scharoun gilt als herausragendes Beispiel der Architektur der Moderne. Auch dort muss umfassend saniert werden, was wieder Jahre dauern wird. Noch ist nicht klar, wie viele. Auch die Kosten – und deren möglicher Anstieg – sind noch unbekannt.