Arndt Klocke mit harter Kritik Grüner Groll in NRW

Düsseldorf · Der grüne Landtagspolitiker Arndt Klocke vermisst Erfolg und Debattenkultur seiner Partei – und mahnt zum Innehalten. Auch die Grüne Jugend zürnt.

Arndt Klocke war bis 2020 Fraktionsvorsitzender seiner Partei im NRW-Landtag.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Arndt Klocke hat das alles lange beobachtet. Jetzt ist ihm die Hutschnur gerissen. Der Landtags-Politiker der Grünen hat zwei Wochen vor dem Bundesparteitag von Bündnis90/Die Grünen in Karlsruhe in einem eigenen Blogbeitrag grundsätzliche Fragen an die Entwicklung seiner Partei gestellt und harte Kritik formuliert.

Zuletzt hat bei dem grünen Verkehrspolitiker aus Köln, der 2022 zur Regierungsbildung von Schwarz und Grün in NRW gerne Verkehrsminister geworden wäre, dann aber dem Bundestagspolitiker Oliver Krischer den Vortritt lassen musste, das Wahlergebnis aus Hessen fassungslos gemacht. Hessen gelte „seit Mitte der Achtziger als Musterland der Grünen“, sei das „Geburtsland von Vernunftpolitikern wie Joschka Fischer oder Tarek Al-Wazir“. Jetzt aber liege man dort hinter der AfD. Und die CDU wechselt den neuen Koalitionspartner SPD ein. Aus Klockes Sicht sei es an der Zeit „innenzuhalten: Es ist doch offensichtlich, dass die Jahre des großen grünen Aufschwungs, die 2018 mit der Wahl von Robert Habeck und Annalena Baerbock begannen, vorerst vorbei sind.“

Klockes Bestandsaufnahme: Die Grünen seien „aus drei Landesregierungen geflogen, obwohl in Sachsen-Anhalt, Berlin und in Hessen die jeweilige Koalition bei den jeweiligen Wahlen wieder eine Mehrheit bekommen hatten“. Er vermisse eine „wirkliche Debatte über die tieferliegenden Gründe“. Schuld seien ehe „immer die anderen“. Die Welt kenne aber nicht nur „Gute und Bösewichter“. Jetzt müssten „nüchterne Analysefähigkeit und auch ein gewisses, gesundes Maß an Selbstkritik“ wieder her. „Wirklich intensive Debatten um Standortbestimmungen hat es seit mehreren Jahren nicht gegeben“, schreibt Klocke.

Noch vor zwanzig Jahren habe die Partei auch in vielfacher Regierungsverantwortung zu Fragen wie Militäreinsätze, Braunkohleausstieg, Doppelte Staatsbürgerschaft oder der Reform der Sozialsysteme öffentlich gerungen. „Vergleichbares gibt es heute nicht“, sagt Klocke. Stattdessen werde auf Parteitagen „lang und viel geredet, aber echte Kontroversen sind nicht zu erkennen“. Strittige Anträge würden vorab über Antragskommissionen und viele Telefonate entschärft oder verwiesen. Wo es einst in vergleichbarer Situation einen Sonderparteitag zur Migrationspolitik gegeben hätte, inklusive Bundes-Strategiekongress, höre man heute das „Grummeln mancher, und dabei bleibt es bislang auch“. Klocke will in der Partei „durchlüften“. Er sagt: „Den mittlerweile geltenden grünen Grundsatz, dass politischer Streit in der Partei immer nur Schaden anrichtet, halte ich schon lange für falsch.“

Auf Anfrage dieser Zeitung wollte sich die Fraktionsspitze der Grünen im NRW-Landtag zu Klocke nicht äußern. Man kommentiere grundsätzlich nicht einzelne Gedanken von Abgeordneten, hieß es aus der Pressestelle. Offenbar ist aber, dass es in der Partei rumort. Auch angesichts der jüngsten Migrationsdebatten, in denen der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst beim Treffen von Kanzler und Ministerpräsidenten in Berlin eine Führungsrolle eingenommen hatte, wenn es um Maßnahmen gegen irreguläre Migration und für Asylverschärfungen geht, die den gängigen grünen Korridor seines Koalitionspartners fraglos einreißen.

Ein Partner – auch das gibt in NRW vielen zu denken –, der gerade erst von Wüsts CDU-Amtskollegen Boris Rhein in Hessen unsanft vor die Tür gesetzt worden ist. Das schwarz-grüne Modell, das eigentlich in NRW bis zur Bundesreife für die Bundestagswahl 2025 aufgeführt werden wollte, droht gerade imposant zu zerbersten. Zumal die CDU-Granden Friedrich Merz und Markus Söder mit der Ökopartei von einst gar nichts anfangen können – und wollen.

Die Kritik innerhalb von Bündnis90/Grüne mehrt sich angesichts dieser unseligen Melange. Sie kommt entweder von pragmatischer oder fundamentalistischer Seite. So warnte gerade erst der grüne baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz, es sei Zeit, sich selbstkritisch zu fragen, warum einstige Koalitionspartner die Grünen weniger als moderne Kraft der Veränderung wahrnähmen, sondern offenbar „als Belastung in schwierigen Zeiten“.

Schäffer: Arbeiten vertrauensvoll mit der CDU zusammen

In NRW macht derweil die gerade neu gewählte Landesspitze der Grünen Jugend Druck. Vivianne Schwedersky aus Münster und Laura Alderath aus Duisburg prangerten „plumpe Abschieberhetorik und die Aushöhlung des Rechts auf Asyl“ an, das eigentlich unverhandelbar sei. Schwarz-Grün bleibe insgesamt „unter seinen Möglichkeiten“ und unterstütze die Kommunen in der Flüchtlingsfrage nicht ausreichend.

Die Fraktion der Grünen im Landtag sieht das alles weniger kritisch. „Wir arbeiten hier in NRW vertrauensvoll mit der CDU zusammen. Dazu gehört auch die Diskussion über unterschiedliche Perspektiven innerhalb der Koalition“, teilt Fraktionschefin Verena Schäffer mit. „In der Flüchtlingspolitik übernehmen wir gemeinsam Verantwortung für unsere Aufgaben auf Landesebene, dazu gehört vor allem die Unterstützung der Kommunen.“ Wichtig sei, so Schäffer, „dass wir jetzt wieder zu einer sachorientierten Debatte in der Bundespolitik zurückkommen, um die Herausforderungen vor Ort konkret zu lösen.“ Nach Durchlüften klingt das eher nicht.