Lesung im Live-Stream „Sprayer von Zürich“ liest aus „Wolkenpost“

Service | Düsseldorf · Der „Sprayer von Zürich“ hat viele Jahre seine Gedanken notiert und mit der „Wolkenpost“ verschickt. Daraus ist ein Buch geworden, das er jetzt vorstellt.

Als „Sprayer von Zürich“ ist Harald Naegeli weltberühmt geworden. Doch eigentlich ist er mindestens auch der Sprayer von Düsseldorf: 35 Jahre lebte er praktisch im künstlerischen Exil am Rhein, sprayte meist nachts seine skurrilen, manchmal witzigen, oft bedrohlichen Figuren an die Wände der Häuser, an Brückenpfeiler, Tiefgaragenabgänge. Seine Arbeiten machten die nicht immer so hübschen Gebäude sehens- und beachtenswert. In seinem Bilker Atelier hingegen zeichnete er mit feiner Linie immer nur Wolken, Riesengebilde mit winzigen Strichen. Und er schrieb seine Gedanken nieder und verschickte das Gedachte seit 2013 an alle, die es lesen wollten. „Wolkenpost“ nannte er die literarischen Miniaturen, und der Absender hieß Harry Wolke.

Zürich ehrte den 80-Jährigen
mit einem Kunstpreis

Nach 80 Lebensjahren war es dann genug mit dem lieb gewonnenen, geliebten Düsseldorfer Exil. 2019 zog er zurück in seine Heimatstadt, die ihn einst wegen seiner Sprayaktionen verfolgen ließ, verhaftete und ihm eine halbjährige Haftstrafe aufbrummte. Im vergangenen Jahr geschah dann das Unglaubliche: Ausgerechnet Zürich ehrte den 80-Jährigen mit dem Kunstpreis der Stadt. Seine Geburtsstadt entdeckte plötzlich ihren ungeliebten Sohn und fand Gefallen an dessen anarchischen Arbeiten im öffentlichen Raum. In seiner Laudatio zur Preisverleihung nannte der Schriftsteller Reto Hänny (73) ihn einen „legitimen Erben des Dadaismus“. Sich über Naegelis Kunst zu streiten, gehört zum Wesen seines Schaffens. So wie es auch Hänny mit den Worten des Autors Adolf Muschg beschrieben hat: „Harald Naegeli hat seine Figuren dorthin gesprayt, wo sie gesehen werden müssen und nicht als Kunstwerke übersehen werden können; wo ihre Anwesenheit schmerzt, weil sie einen Schmerz bewusst macht.“

Jetzt ist Harald Naegeli nach Düsseldorf zurückgekehrt, zumindest zum Gespräch mit seinem Freund Rudolf Müller von der Literaturhandlung im Heine Haus. Am Freitag, 28. Mai, werden sich beide über die gesammelte „Wolkenpost“ unterhalten, die jetzt im Diogenes-Verlag erschienen ist. In seinen rebellischen und philosophischen Nachrichten erzählt er von seinen Graffitis und Zeichnungen, aber auch von Begegnungen mit Mensch und Tier, von Lektüre, die ihn inspiriert, von seinem unzerstörbaren Glauben an die Utopie und seiner Sicht auf die Kunst. Absurdes findet sich darunter und auch Nachdenkliches, bereichert mit Fotos seiner Arbeiten. Die „Wolkenpost“ spiegelt praktisch das Universum des Künstlers.

Info Das Gespräch wird am Freitag, 28. Mai, um 18.30 Uhr auf dem Youtube-Kanal des Heine Hauses als Stream übertragen. Das Buch: H. Naegeli: „Wolkenpost“. Diogenes, 144 Seiten, 32 Euro ¶