Autorin Joanna Bator im Heine Haus Starke Frauen auf der Suche nach dem großen Glück
Düsseldorf · Geballte Erzählkraft mit starken Frauen im Mittelpunkt: Joanna Bator stellte ihren Roman „Bitternis“ im Heine-Haus vor.
Der Saal im Heine-Haus an der Bolkerstraße war voll besetzt. Die Buchhandlung Müller & Böhm hatte in Kooperation mit dem Polnischen Institut die Bestsellerautorin Joanna Bator eingeladen, ihr neues Buch „Bitternis“ vorzustellen. Im Gespräch mit Übersetzer Bernhard Hartmann gab Bator Einblicke in ihre Schreibwerkstatt. Der erste Satz zum Debütroman „Sandberg“ etwa sei ihr in Japan eingefallen. „Ich saß am Schreibtisch und hätte eigentlich an meiner Habilitation arbeiten sollen“, verriet die Hochschuldozentin: „Da ist mir auch klar geworden, dass ich eine neue Sprache finden musste und dass ich zukünftig Romane schreiben wollte.“
Es sollten Geschichten werden, über ihre Heimatstadt Walbrzych und die Menschen, die dort leben. In ihren Büchern stellt Bator Frauen in den Mittelpunkt. In „Bitternis“ sind es vier Protagonistinnen, deren Familiengeschichte die Autorin nach und nach aufblättert.
Rudolf Müller las Auszüge aus Bators aktuellem Roman, mit dem diese ihre Leserschaft gleich von der ersten Seite an in ihren Bann zieht. Ein mehr als 800 Seiten dicker Schmöker, der tief eintaucht in die zum Teil dunklen Lebenswelten einer vier Generationen umspannenden Frauendynastie im niederschlesischen Walbrzych. Bator erzählt von „ungewollten Bäuchen“, vom Sitzengelassenwerden, nichtsnutzigen Männern, Tod im Wochenbett, von Zorn und Armut. Ihre Protagonistinnen träumen davon, endlich aus diesem Kreislauf auszubrechen.
Bator verwebt ihren dicht erzählten Roman mit geschichtlichen Ereignissen Schlesiens der vergangenen 100 Jahre und malt das mitreißend epische Portrait einer von patriarchalen Strukturen durchzogenen Gesellschaft, in der auf sich allein gestellte Frauen ihren Platz hart erkämpfen müssen. Ihre kraftvolle Erzählweise erinnert an Isabel Allende oder Gabriel Garcia Márquez.
Interesse für Genderfragen
in der japanischen Gesellschaft
Bator gilt neben Olga Tokarczuk als wichtigste Stimme unter den schlesischen Autorinnen und seit ihrem viel beachteten Debüt „Sandberg“ als aufsteigender Stern der europäischen Literaturszene. Am 2. Februar ist die im polnischen Walbryzch geborene Publizistin 56 Jahre alt geworden. Sie studierte Kulturwissenschaften und Philosophie in Breslau und Soziologie in Warschau. Dort gab die promovierte Wissenschaftlerin zwischen 1996 und 1998 Seminare zu genderspezifischen Fragestellungen. Ihre feministischen Forschungen führten Bator unter anderem nach Bremen, Budapest und London.
Ihr Interesse weitete sich 2001 auf Genderfragen in der japanischen Gesellschaft aus. Sie erhielt ein Stipendium, in Japan traf sie dann die Entscheidung, von der Bator zu Beginn des Abends erzählte. Nachdem sie rund zehn Jahre lang vor allem mit Artikeln und Essays in verschiedenen Zeitschriften in Erscheinung getreten war, erschien 2011 ihr erster Roman „Sandberg“ auf Deutsch und führte sie ein Jahr später auf einer Lesereise auch nach Düsseldorf. Der Titel bezieht sich auf einen Wohnblock in ihrer vom Bergbau geprägten Geburtsstadt Walbrzych. Nach dem erfolgreichen Start in den Literaturbetrieb entschied Bator, sich voll und ganz auf ihre schriftstellerische Arbeit zu konzentrieren. In „Wolkenfern“, der Fortsetzung von „Sandberg“ verließ Bator das vertraute Terrain ihrer Heimat und verlegte einen Großteil der Handlung in die USA, nach London, Griechenland und Japan. Die Verbindung zu Polen blieb aber immer lebendig, durch den Kontakt der Hauptfigur zu ihrer Mutter.
Ihr dritter Roman „Dunkel, fast Nacht“, wurde im Jahr 2019 von Boris Lankosz für das Kino adaptiert. 2022 erhielt die vielfach ausgezeichnete Autorin den Samuel-Bogumil-Linde-Preis, den Hermann-Hesse-Preis sowie den Eichendorff-Literaturpreis.