Nach Antirassismus-Demos „Helden neu verhandeln“ - NRW diskutiert seine kolonialen Denkmäler
Köln · Denkmäler, Straßennamen, Gebäude: Nach den weltweiten Anti-Rassismus-Demos ist die Debatte um koloniale Spuren auch in NRW-Städten wieder lauter geworden. Was steckt hinter der Kritik? Und was tun mit den Denkmälern?
Abbauen, zerstören oder - einfach stehen lassen? Im Fall von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) dachte sich jemand offenbar: besprühen. Ende Juni färbten Unbekannte das Reiter-Denkmal des einstigen deutschen Regenten in der Nähe des Kölner Doms in unterschiedliche Rot- und Orangetöne. Daneben wurden Transparente und Zettel gefunden. Thema: Die Rolle des Kaisers - und die Kolonialisierung.
Der Fall - obwohl noch nicht aufgeklärt - zeigt: Nach den weltweiten Anti-Rassismus-Demos hat auch in NRW die Kolonialismus-Debatte wieder an Fahrt aufgenommen. Die Truppen von Wilhelm hatten 1904 im damals sogenannten Deutsch-Südwestafrika die Herero und Nama bekriegt. Zehntausende wurden ermordet - heute spricht man von Völkermord. Darf so jemand stolz auf einem Pferd in bester Kölner Lage sitzen? Ein Sprecher der Stadt Köln sagt: „Rechtskräftig eingetragene Denkmäler können nicht einfach entfernt oder zerstört werden“. Die Verwaltung diskutiere aber über eine aufklärende Infotafel.
Der Kolonialismus hat Spuren in NRW-Städten hinterlassen, in Form von Straßennamen und Denkmälern. Der Historiker Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg findet es nicht verwunderlich, dass in der Folge der Black-Lives-Matter-Bewegung wieder verstärkt über solche Denkmäler diskutiert wird. Der Kolonialismus sei ein „strukturell-rassistisches Unrechtssystem“ gewesen. Menschen, die unter Rassismus leiden, könnten sich daher verunglimpft fühlen. Vor allem dann, wenn sie an Denkmälern vorbeigehen müssten, die Personen ehren, „die ihre Vorfahren ausgebeutet oder versklavt haben“.
Die Kölner Historikerin Bebero Lehmann startete vor etwa zwei Jahren mit zwei Kolleginnen die Gruppe „Decolonize Cologne“, die kolonialkritische Stadtrundgänge anbietet. Sowohl auf den Straßen als auch auf Instagram und Co. leistet das Trio Bildungsarbeit in puncto Kolonialismus. Lehmann führt vor allem durch das sogenannte Afrika-Viertel in Köln-Nippes.
Dort gibt es etwa die „Gustav-Nachtigal-Straße“, benannt nach dem gleichnamigen Afrikaforscher und ehemaligen „Reichskommissar für Deutsch-Südwestafrika“ (1834-1885). In dieser Funktion habe er widerrechtlichen Landraub legitimiert, so Lehmann. Vor rund 30 Jahren wurden zwei andere Straßen in Köln, die nach Kolonial-Protagonisten benannt waren, in Usambara- -und Namibiastraße umbenannt. Lehmann begrüßt die Umbenennungen, hätte es aber noch besser gefunden, wenn die Straßen nach Anti-Kolonialisten benannt worden wären. „So erinnert man auch an die Kolonialzeit, aber aus der Perspektive des Widerstands.“
Generell sei der Diskurs über Denkmäler und Straßennamen eine gute Entwicklung, aber nur die „sichtbare Spitze im öffentlichen Raum“. Das, was dahinter liege, sei aber wichtiger, glaubt die Historikerin und Journalistin: „Ein rassistisches System, das sich historisch verankert hat und bis heute wirkt.“ Die deutsche Kolonialgeschichte müsse in den Lehrplänen der Schulen und Universitäten als Pflichtprogramm Einzug finden.
Seit vielen Jahren gibt es auch Diskussionen um ein Kolonialkriegerdenkmal in Düsseldorf. Das Denkmal war 1909 zur Erinnerung an in „Deutsch-Südwestafrika“ gefallene Mitglieder eines Düsseldorfer Regimentes errichtet worden. Die kaiserlichen Truppen hatten gegen die Herero und Nama vor mehr als 100 Jahren gekämpft.
Caroline Authaler vom Arbeitskreis „Düsseldorf postkolonial“ nennt das Denkmal „hochproblematisch“. Sie wirft der Stadt vor, dass sie im Unterschied zur Kirche bisher „nichts“ getan habe. Eine Stadtsprecherin entgegnet, dass das Thema zunächst in die politischen Gremien eingebracht werden müsse. 2004 hatte die Kirche eine einordnende Plakette angebracht und vergangenes Jahr erneuert. Das reicht Authaler aber nicht aus.
Wie also umgehen mit den Denkmälern? Der Hamburger Forscher Zimmerer spricht sich gegen einen Abbau aus. Das Denkmal müsse als Erinnerungsort weiterhin bestehen - aber mit bewussten Störungen: „Beispielsweise auf den Kopf stellen oder hinlegen, also radikal entheroisieren, um so eine kritische Auseinandersetzung zu erzwingen“. Bei der deutschen Kolonialgeschichte sei dies nicht der Fall. „Jede Generation verhandelt ihre Helden neu.“