Interview „Ich lese das Wort Wirtschaft als Auftrag und Überschrift“

Wuppertal · Die WZ hat in einem Artikel zu Ihrer Wahl zum Dezernenten geschrieben: Jetzt hat die Stadtverwaltung einen Superminister. Herr Minas, empfinden Sie eine besondere Herausforderung angesichts des Zuschnitts Ihres Aufgabenbereiches?

Wuppertals neuer Dezernent Arno Minas (l.) im Gespräch mit Andreas Boller, Leiter der Lokalredaktion Wuppertal.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Die WZ hat in einem Artikel zu Ihrer Wahl zum Dezernenten geschrieben: Jetzt hat die Stadtverwaltung einen Superminister. Herr Minas, empfinden Sie eine besondere Herausforderung angesichts des Zuschnitts Ihres Aufgabenbereiches?

Arno Minas: Ich habe mir vor meiner Bewerbung Gedanken über diesen Dezernatszuschnitt gemacht, habe im Internet recherchiert, wie es dazu kam. Mir sind die Beweggründe sehr klar, die den Stadtrat 2019 dazu bewogen haben. Der Stadtrat will das strategische Geschäft und das operative Geschäft ein bisschen entkoppeln, was grundsätzlich nicht die schlechteste Idee ist. In der Praxis habe ich das ein oder andere Mal erlebt, dass das operative Geschäft das strategische Geschäft überlagert. In meinem Geschäftsbereich sind ja nun bewusst fast nur die strategischen Positionen mit Klimaschutz, Wirtschaft, Stadtentwicklung und Städtebau zusammengefasst.

Und das sind Schlüsselbereiche der Verwaltung.

Minas: Mir war klar, dass dieser Dezernatszuschnitt sehr herausfordernd ist. Wirtschaftsförderung ist für mich keine institutionelle Zuständigkeit in erster Linie, sondern eine Handlungsanweisung und Überschrift, über alle anderen Themen: Wenn Du Städtebau oder Klimaschutz betreibst, dann habe immer die Wirtschaftsförderungsbrille auf. Bitte dies nicht falsch verstehen, dass ich mich primär als Wirtschaftsdezernent betrachte, sondern ich halte es für sehr wichtig, aus den Köpfen herauszubekommen, dass Wirtschaft und Klimaschutz im Widerspruch stehen. Man hört ja immer öfter, dass Klimaschutz in den kommenden Jahren der wichtigste Wirtschaftsförderungsfaktor überhaupt sein wird für die Unternehmen.

Sie werden als Volljurist die Wuppertaler Verwaltung vervollständigen. Zwei rechtliche Fragen brennen vielen Wuppertalern auf den Nägeln. Da ist zum einen die vermeintliche fehlerhafte Einladung zu den drei Ratssitzungen im Mai und Juni sowie die Frage, ob die Stadt die Mauer am Döppersberg begrünen darf und wie das mit den Urheberrechten der Architekten vereinbart werden kann. Wie ist Ihre Einschätzung, was kommt da am Ende raus?

Minas: Wir haben das Thema Einladungen zur Ratssitzung intensiv im Verwaltungsvorstand diskutiert. Ich kann nicht jetzt schon freischwebend meine Juristenmeinung dazu abgeben. Wir haben uns rechtlich ein erstes und ein zweites Bild gemacht. Man kann für beide Standpunkte Argumente finden.

Gibt es eine Entscheidung noch vor der Kommunalwahl?

Minas: Zumindest, wenn es in die eine Richtung gehen würde, dann müsste es so sein, denn dann hätte man Ladungsfristen für den Stadtrat zu beachten. Darüber entscheidet der Verwaltungsvorstand nicht ohne die Politik. Das Gespräch mit der Politik werden wir kurzfristig suchen.

Die Mauer am Döppersberg. Da steht die Idee im Raum, dass man – sollte die Mauer neu errichtet werden müssen, sie begrünen könnte. Gibt es Überlegungen der Stadt, mit dem Architekturbüro JSWD ins Gespräch über die Urheberrechte zu kommen?

Minas: Ohne dass ich jetzt jedes Detail, jeden Vertrag und jeden Akteur innerhalb von zwei Wochen kennengelernt habe, kann ich sagen, dass uns am Döppersberg gar nichts anderes übrig bleibt, als zu reden. Aus langjähriger Erfahrung in der Verwaltung und als Rechtsanwalt kann ich sagen, man muss Bauprozesse dieser Größenordnung führen können, aber man muss sie nicht führen wollen. Gerade in Bausachen muss man vorsichtig sein, dass man sich nicht sein Benefit selber abfrühstückt, in dem man gigantische Bauprozesse führt. Daher muss vorher kommuniziert werden. Ich würde versuchen, den Kontakt herzustellen, werde mich dabei auf die Expertise meiner Mitarbeiter verlassen.

Sie sind in Köln geboren, in Bonn aufgewachsen, waren zuletzt acht Jahre als Bauamtsleiter in Eisenach tätig. Liegt für einen gelernten Bonner Wuppertal wie Eisenach im Osten?

Minas: Nein, nein, ganz sicher nicht. Es gibt den Satz von Johannes Rau, dass Wuppertal der Bindestrich von Nordrhein-Westfalen ist. Das finde ich sehr spannend und fühle mich durchaus wieder zu Hause angekommen, was die Region angeht.

In ihrem Dezernat ist Klimaschutz, in einem anderen Dezernat der Umweltschutz angesiedelt worden. Warum ist das so aufgeteilt?

Minas: Der Umweltschutz ist tiefgreifend durch ein komplexes Netz von Gesetzen geregelt. Im Vergleich dazu ist selbst das Baurecht ganz harmlos. Die Umweltbehörden würden gerne strategisch arbeiten, was sie aber aufgrund des operativen Geschäfts und des Gesetzes-Netzwerkes so nicht können. Der Klimaschutz ist dagegen in Deutschland noch relativ wenig normiert und bietet diese Möglichkeit. Klimaschutz ist nicht Emissionsschutz, was oft verwechselt wird. Natürlich wird es große Schnittmengen in der Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich 1 geben, wo zum Beispiel Verkehr und die Umweltbehörden zu finden sind. Ich bin aber niemand, der morgens wach wird und denkt, da bin ich zuständig und der nicht.

Einer der größten Wünsche der Politik an den fünften Dezernenten ist ein besserer Draht der Verwaltung in die Wirtschaft.

Minas: Ich lese das Wort Wirtschaft als Auftrag und Überschrift. Es kommt darauf an, sich gut zu vernetzen. Die Wirkung zielt nicht nur nach außen, sondern auch nach innen in die Verwaltung. Für Unternehmer und Investoren gilt das absolute Open-Door-Prinzip.

Im Verwaltungsvorstand der Stadt Wuppertal suchte man den Begriff Wirtschaft bisher vergebens.

Minas: Das Thema schwingt aber überall mit, auch wenn es bisher keinen gab, der den Hut auf hatte. Wirtschaft in nur einem Geschäftsbereich zu bearbeiten - das dürfte zu kurz gesprungen sein.

Und dann kam Corona…

Minas: Bei meiner Wahl sprach man schon darüber. Ich rechne damit, dass es Situationen geben wird, in denen man schnell mit seinen Leuten reagieren muss, wenn eine coronabedingte Krise richtig virulent wird. 2020 ist noch ein wenig abgefedert durch staatliche und nichtstaatliche Maßnahmen. Die wirtschaftliche Bugwelle könnte uns 2021 treffen. Es ist das berühmte auf Sicht fahren. Ich rechne durchaus mit wirtschaftlichen Notfallpatienten. Diese Verantwortung kommt auf mich zu.

Inwieweit spielen die Geburtshelfer CDU und Grüne eine Rolle, die das fünfte Dezernat durchgesetzt haben. Inwieweit sehen Sie sich als Parteipolitiker und Mitglied der Grünen?

Minas: Ich weiß sehr wohl, dass mein Amt hier keinesfalls unpolitisch sein kann. Ich will es möglichst nicht mit der einseitigen parteipolitischen Brille wahrnehmen. Es sind Überschriften drin wie Klimaschutz, die meinem Parteibuch entsprechen. Das ist auch so gewollt von der Politik. Mein hehres Ziel ist, mit allen politischen Parteien vertrauensvoll zusammen zu arbeiten und im Team Ziele zu verfolgen, statt sich in meist nicht notwendige Grabenkämpfe zu verstricken.

Was verstehen Sie unter Stadtentwicklung?

Minas: Das ist ein ewiger Prozess, der mit viel Fingerspitzengefühl betrieben werden muss. Fehlentscheidungen wirken über Jahrzehnte und länger.

Was fällt Ihnen ad hoc ein, wenn Sie den Begriff Städtebau hören?

Minas: Städtebau sollte immer mitgedacht werden bei jedem noch so kleinen Bauvorhaben. Städtebau führt zur Schönheit der Stadt. Guter und hochwertiger Städtebau wird oft vernachlässigt, weil er Geld kostet.

Was verstehen Sie unter Klimaschutz?

Minas: Das Thema Nummer 1, aber im Moment durch Corona überlagert. Wenn wir bei diesem Thema nicht weiterkommen, haben wir bald noch ganz andere Probleme.