Ein Jahr Homo-Ehe Traumhochzeit statt Verpartnerung

Düsseldorf · Chrissy und Sarah aus Düsseldorf haben sich vor vier Monaten das Ja-Wort gegeben – ganz traditionell.

Sarah und Chrissy Schlomann sind seit Juni verheiratet.

Sarah und Chrissy Schlomann sind seit Juni verheiratet.

Foto: Chrissy Schlomann/NN

Der Standesbeamte hatte geredet. Und geredet. Was er allerdings gesagt hat, kann Chrissy (26) nicht einmal vier Monate nach ihrer Hochzeit beim besten Willen nicht mehr sagen. Sie weiß nur: Es dauerte ewig. Bis zu diesem Satz, den sie natürlich nicht vergessen hat: „Ich erkläre Sie zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten.“ Dann schaute Chrissy den Menschen an, mit dem sie erklärt hatte, den Rest ihres Lebens verbringen zu wollen: Sarah.

An diesem Montag wird die Homo-Ehe in Deutschland ein Jahr alt. Chrissy und Sarah Schlomann aus Düsseldorf sind eines von mehreren tausend Paaren, die sich seither zu Mann und Mann oder Frau und Frau haben erklären lassen. So richtig. Nicht als eingetragene Partner. Sondern als Ehepaar.

Für Chrissy war das die Erfüllung eines Mädchentraums. Eine Hochzeit im weißen Rauschekleid, die Haare hübsch gemacht, professionelles Make-up, Blumen, ihr Vater führt sie zwar nicht zum Altar, aber doch vor das Standesamt am Hofgarten. Ihre jetzige Frau Sarah (29) erinnert sich noch genau, wie Chrissy die Straße entlangkam – daran, dass es Bindfäden regnete, hingegen überhaupt nicht mehr.

Sarah und Chrissy Schlomann in Zivil: Seit vier Jahren sind die beiden zusammen.

Sarah und Chrissy Schlomann in Zivil: Seit vier Jahren sind die beiden zusammen.

Foto: Chrissy Schlomann/nn

Sarah wollte einen Heiratsantrag – keinen Partnerschafts-Antrag

Die beiden haben sich vor vier Jahren in der Bar kennengelernt, in der Chrissy kellnerte. „Ich habe ihr immer das Bier gebracht“, erinnert sich die 26-Jährige. Bis zum ersten Knistern dauerte es nicht lang. Seit Silvester 2014/2015 sind sie ein Paar, ein halbes Jahr später zogen sie zusammen. Sarah erinnert sich noch an den Tag, als bekannt wurde, dass die Homo-Ehe in Deutschland erlaubt wird. „Da dachte ich mir: Jo, jetzt kannst du es mal in Angriff nehmen!“ Einen Heiratsantrag für eine Lebenspartnerschaft? Das hätte die junge Köchin nicht gemacht. „Es ist einfach nicht das Gleiche.“

So führte sie Chrissy zu einem Fünf-Gänge-Menü mit anschließender Übernachtung im edlen Hotel aus. Zum Nachtisch gab es Tequila. „Ich war richtig nervös“, sagt Sarah. Auf dem Zimmer wartete ein Servierwagen mit Champagner, überall Rosenblätter. Sarah ging auf die Knie und holte das Kästchen mit dem Ring hervor. „Ich habe vorher überlegt, was ich sage – aber das war alles weg“, sagt Sarah. „Ich habe nur Mist vor mich hingebrummelt.“ Aber eben Mist, der am Ende gipfelte in: „Willst du mich heiraten?“ Nicht in: „Willst du dich mit mir verpartnern?“

Im Gegensatz zu Sarah, die immer sicher war, auf Frauen zu stehen, hat Chrissy sich erst spät geoutet. Sie entspricht – genau wie Sarah – nicht dem gängigen Lesbenklischee. Das weiß sie selbst und umso mehr nervt es sie, wenn sie Menschen von ihrer sexuellen Orientierung erzählt und hört: „Boah, das hätte ich aber nicht gedacht!“ Sie hasst dieses stumpfe Schubladendenken  – und das erlebe sie längst nicht nur bei Heteros: „Selbst in der Szene nimmt man mich nicht wahr.“

Im Laufe der Jahre ist sie vorsichtig damit geworden, wem sie von ihrem Leben mit einer Frau erzählt. Aber nicht bei ihrer Hochzeit. Da sollte es keine Zurückhaltung geben, sondern die ganz große Traditionsnummer. Mit zweitägigem Junggesellinnenabschied. Mit einem Kleid, das Sarah nie gesehen hatte. Mit Fotoshooting, Hochzeitstanz, Herz aus einem Bettlaken ausschneiden, einem Brautstraußwurf. Und natürlich Feierei bis in den frühen Morgen.

Jahr für Jahr beobachtet, wie andere Länder vorangingen

Chrissy erinnert sich gut, wie sie Jahr um Jahr beobachtet hat, wie andere Länder vorangingen. Zunächst die Niederlande schon 2001. Dann Belgien, Spanien, Kanada, selbst Südafrika, das die Homo-Ehe 2006 einführte. „Ich habe mich immer gefragt, warum es ausgerechnet in Deutschland nicht funktioniert“, sagt die junge Frau. „Ich habe es einfach nie verstanden.“

Ihr Konzept von der Ehe ist so traditionell wie ihr Konzept vom schönsten Tag ihres Lebens: „Man heiratet aus Liebe, Seelenverwandtschaft, um Verantwortung füreinander zu übernehmen.“ Was unterscheidet ihre Gemeinschaft von einer Frau, die einen Mann liebt? „Ich finde diese Gleichstellung wichtig“, sagt Chrissy.

Das nächste Abenteuer wartet: Sie wollen ein Kind

Inzwischen haben sich beide Frauen schon fast an das Leben als Ehepaar gewöhnt. Chrissy auch an ihren neuen Nachnamen. „Inzwischen habe ich meine Unterschrift gefunden.“ Sie hat einen neuen Ausweis, beide haben Vollmachten für die Konten der anderen. „Kurioserweise zahle ich jetzt für uns zwei weniger für Haftpflicht und Hausrat als vorher allein“, sagt Chrissy. Als sie bei der Versicherung anrief und sagte, sie sei jetzt verheiratet, wurde ihr gleich ein toller neuer Tarif angeboten.

Ob Eheleute weniger kaputtmachen als Singles? Es sind die Mysterien der Welt der Verheirateten, die sie noch nicht vollends durchdrungen haben. Herausfordernd wird es bleiben, das wissen beide. Und für sie manchmal eben doch mehr als für die meisten Hetero-Paare. Das nächste Abenteuer steht nämlich schon an: Die beiden wünschen sich ein Kind.