Tanzhaus NRW Tanzhaus: Tänzerinnen streben vergeblich vorwärts
Düsseldorf · Waierstall und Hauschka spielten mit unendlichen Verschiebungen.
Infinite Shifts, unendliche Verschiebungen, der Untertitel des neuen Stückes von Alexandra Waierstall, am Tanzhaus ist gekonnt gewählt. Genau aufeinander abgestimmt entwickeln sich Musik und Bewegung bei „Annna 3“ immer nur ein wenig weiter, teils wie in Wellen, teils über Phrasen und längere Zeitspannen. Die Choreografin und der Komponist Hauschka arbeiten minimalistisch, mit kleinsten Steigerungen und Veränderungen. Die Musik besteht aus Rhythmen und Klängen, aufgenommen von Hauschkas präpariertem Klavier. Die drei Tänzerinnen Sita Ostheimer, Anna Pehrsson und Karolina Szymura scheinen nach etwas zu streben, es jedoch nie wirklich zu erreichen. Zu Beginn suchen sie, noch ganz in Schwarz verhüllt, den Kopf unter einer Haube, nach Bewegungen, die wie im Keim erstickt scheinen.
Waierstall führt ihre Technik aus vergangenen Stücken fort. Wellen, Impulse gehen durch die Tänzerkörper, brechen plötzlich ab, um in einer neuen Bewegung, in eine neue Richtung weiterzugehen. Drehungen, Schwünge, Posen werden angedeutet und sind schon wieder verschwunden, bevor sie sich entfalten konnten. Neigungen des Körpers, rund gehaltene Arme, Ballettpositionen, alles wirkt verschwommen, wie eine schnelle Skizze in den Raum geworfen. Mit steigendem Puls in der Musik werden sie sichtbarer, deutlicher, aber ohne ganz zu Ende geführt zu werden. Fragil und kraftvoll sollen sie sein, widersprüchliche Regungen des Menschen sollen so sichtbar werden, Leben und Vergänglichkeit sich widerspiegeln.
Die Tänzerinnen werden zu nackten Skulpturen
Eine bedeutende Rolle spielt dabei das Lichtdesign von Caty Olive. An der Seite aufgereihte Scheinwerfer beleuchten die Tänzer indirekt, weich. Die Performerinnen befreien ihre Köpfe von den Hauben, tanzen mit nacktem Oberkörper, schließlich völlig nackt. Es hat nichts Provozierendes, Forderndes, sondern es fügt sich ein in den Ablauf, der immer mehr auf Klarheit, auf Sichtbarkeit zuläuft. Wie bewegte Skulpturen streben die Tänzerinnen in Zeitlupe über den Boden nach vorne, strecken und dehnen sich einem unbekannten Ziel entgegen: Muskeln und Knochen, Rundungen und Kanten, in immer neue Bilder fließend, angestrahlte später in Lichtmuster getauchte Haut. Das hat etwas Archaisches. Die Grenzen von Performance und Tanz verschwinden. Man darf gespannt sein, wie sich die dramaturgisch feinfühlige Arbeit von Waierstall weiterentwickelt.