20 Jahre Tanzhaus ist 20 Jahre Bewegung

Das Tanzhaus NRW zählt zu den wichtigsten Adressen für Tanz. Zum 20. Geburtstag gab es aber nicht nur Bewegungskunst, sondern auch überraschende Ankündigungen.

Foto: Anne Van Aerschot

Es wurde geschwitzt, Begeisterung geweckt, auf Frustration folgten Glücksmomente, Neugierde entpuppte sich als Talent, Talent schürte Enthusiasmus, Freundschaften wurden geschlossen und so manche Neuentdeckung gefeiert. Klein wie Groß, Alt und Jung, Profi oder Amateur — wohl nahezu jeder Düsseldorfer, der eine gewisse Affinität zum Tanz hat, verbindet mit dem Tanzhaus NRW seine ganz eigenen Erinnerungen. Für manche ist das umgebaute Straßenbahndepot an der Erkrather Straße vielleicht sogar zu so etwas wie einem zweiten Wohnzimmer geworden. Bis heute und hoffentlich auch noch sehr lange ist das Tanzhaus der zentrale Knotenpunkt für all das, was mit Tanz und Bewegungs-Kunst in Verbindung gebracht werden kann.

Unzählige Kurse und Workshops, Festivals und Projekte in den Bereichen „Bühne“, „Akademie“ und „Junges Tanzhaus“ sorg(t)en für eine sich immer wieder mit frischer Energie aufladende Betriebsamkeit. Das in einem reizvoll unprätentiösen Ambiente. Ein Ort für Fokussierung, der in seinen Mauern noch den morbiden Charme seiner früheren Nutzung trägt. Wenn man ein einziges Schlagwort für das finden wollen möchte, was das Tanzhaus nun in seinem innersten Kern ist, dann: Bewegung. Wo vor über 20 Jahren noch Straßenbahnen quietschend und ratternd durch die Hallen fuhren, sorgt Inspiration heute für innere wie äußere Bewegung von mit Tanz erfüllten Menschen. Doch auch weit über die Stadtgrenzen hinaus hat dieser Ort in den letzten 20 Jahren — unter dem Namen „Werkstatt“ der Trägerverein sogar seit 1978, so gesehen feiert man gar zwei Jubiläen — immer mehr an Strahlkraft gewonnen. Internationale Künstler gaben und geben sich die Ehre und formten bis heute das vielseitige und so manche Grenze sprengende Profil dieser Institution.

Seit 2014 werden die künstlerischen Geschicke des Hauses von Bettina Masuch gelenkt. Sie folgte auf den langjährigen Intendanten Bertram Müller. Und Stillstand ist nicht in Sicht, das war in Masuchs und auch Johannes Kurschildgens (Vorstandsvorsitzender Tanzhaus NRW e.V) Festrede deutlich zu spüren. Neben dem lebendigen Tanzalltag rückt zudem das Gebäude an sich wieder in den Fokus. Nötiges wird saniert, vielleicht gibt es sogar Ideen für eine Aufwertung. So deutete es Oberbürgermeister Thomas Geisel in seinem launigem Grußwort zumindest an. Er hatte einen Bewilligungsbescheid für die Mittel zu unumgänglichen Sanierungsmaßnahmen mitgebracht, den er überraschenderweise nur als Startpunkt für Weiteres verstanden wissen wollte. Man darf gespannt sein.

Aber auch Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft in NRW sowie die Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, Ursula Sinnreich, ließen an der großen Wertschätzung gegenüber dem Haus, die sich der in Förderung von Projekten niederschlägt, keine Zweifel aufkommen.

Doch die Geburtstagsfeier am 26. April hielt nicht nur schöne Worte bereit. Ab 18 Uhr stimmte man sich mit der etwas eigenwilligen Performance „Ibne | Götveren“ von Caner Teker in der Container-Installation vor dem Haus auf den Abend ein. Und selbstverständlich beging das Tanzhaus sein Jubiläum mit einem Hochamt des modernen Tanzes. Mit der Düsseldorf-Premiere von Anne Teresa De Keersmaekers „Rosas danst Rosas“ schlug man zeitgleich eine Brücke in die 80er Jahre. Demonstrierte eindrucksvoll, wie modern und zeitlos zugleich purer Tanz, der dennoch den Geist seiner Entstehungszeit atmet, sein kann. Vor allem, wenn er immer wieder von De Keersmaekers Kompanie „Rosas“ neu mit Leben erfüllt wird.

Dieses Werk - keine wirklich leichte Kost - zieht seit seiner Uraufführung 1983 das Publikum in seinen Bann. Oder lässt auch so manchen ratlos zurück. Bewegungsmuster, kleine aber impulsive Gesten, die sich manisch wiederholen; eine Härte zieht sich durch das 100-minütige Werk. Diese Obsessivität wird vor allem durch die Musik für die Zuschauer fast körperlich spürbar - wie das gnadenlose Rattern von Maschinen, eine schöne Assoziation zu der früheren Nutzung des Tanzhauses. Doch anfangs herrscht nach einem Rausch an rhythmischer Härte nur Stille. Aus der Horizontalen, die nur durch das leise Ächzen der vier Tänzerinnen begleitet wird, unruhig, wie nach einem Albtraum, arbeitet sich das Stück über Stühle hin zur aufrechten Bewegung. In sich gefangen wirken die Tänzerinnen Léa Dubois, Yuika Hashimoto, Laura Maria Poletti und Soa Ratsifandrihana. Und doch so offen, wie ein Blick in die Seele von „Rosas“. Teile der Choreographie, die auch verfilmt wurde, hat Beyoncé in ihrem Video „Countdown“ plagiiert. Konsequenz war, dass De Keersmaeker die Stuhl-Szene freigegeben und in einer vereinfachten Version zum Nachmachen für alle auf einer Website veröffentlicht hat: „Re:Rosas“. So ließ es sich die Belegschaft des Tanzhauses nicht nehmen, auch eine eigene Version, als Video, zum Jubiläum zu wagen. Ein perfektes Geburtstagsgeschenk.