Neue Gedichte von Horst Ewert Neue Gedichte von Horst Ewert

Düsseldorf · In den neuen Gedichten von Horst Ewert dreht sich viel um die Natur, die Liebe – und seine Heimatstadt.

Auch die Altstadt mit ihren Gaslaternen bedenkt der Lyriker.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Der Advent ist die Zeit, nach Rezepten für die Festtage zu suchen. Hier ist eines, völlig kalorienfrei, für die Erstellung eines Gedichts: „Das Bild gezeichnet mit Sprache, damit die Phantasie es coloriert, jedesmal neu.“ Dann noch eins für das gleiche Produkt, diesmal mit Kalorien-Anklang: „Aus der Schokoladenmasse der Sprache formt der Dichter die Praline, das Gedicht. Lass langsam sie im Mund zergehen und werde süchtig.“

Beide Rezepte stammen von dem Düsseldorfer Lyriker und Romanautor Horst Ewert. In seinem neuen Band „Und tief in mir das Meer“ bilden sie die Schlussworte zu vielen schönen Gedanken und vielen unterschiedlichen Themen. Da geht es beispielsweise um „Plaudern mit Bäumen und Tieren“ oder „Durch das Jahr auf Zehenspitzen“, und natürlich um die Liebe. Besonders gern spaziert das lyrische Ich durch seine Heimatstadt Düsseldorf, schwärmt dabei für den Altstadtkern mit seinem Kopfsteinpflaster und den Gaslaternen. Von denen hört es Geschichten, welche „die Liebenden dazu verführen, selbst Verse zu schmieden“.

In dem zartblauen Band dreht sich – unterteilt in sechs Abschnitte – viel um die Natur, die Jahreszeiten, um die Partnerin eines gemeinsamen Lebens. Natürlich auch um Stimmungen, diejenige eines Einzelnen und solche, die von Ereignissen hervorgerufen wurden. Aus einem heiteren, beinahe albernen Gedankenspiel blickt dann ganz unvermittelt der Lebensernst des Autors. „Gut haben‘s die Quallen“, heißt es dort, „die niemals beim Fallen in Ermanglung von Knochen Tentakeln gebrochen.“ Allerdings: Wer knochenlos lebt, kann auch kein Rückgrat zeigen. Ohne Rückgrat aber wäre das Leben von Horst Ewert gewiss anders verlaufen.

Der 1948 in Stralsund geborene Ingenieur wurde 1988 aus der DDR ausgebürgert und siedelte mit seiner Familie in die Bundesrepublik über. Jahre später konnte er seine Stasi-Akte einsehen: „Die vielen Seiten mit blutigen Fingerspuren, von anmaßender Dummheit durchtränkt. Jahre unseres Lebens, die besten zumal, gepreßt zwischen grauen Aktendeckeln.“ Aus der Scham über jahrelang gelebte Anpassung an die „linke Diktatur“ ragt der Stolz, „es einmal nicht getan zu haben“.

Immer wieder zieht es den Poeten Horst Ewert in die Rheinauen, die ihm die uralten Sagen des großen Flusses zuflüstern. Flussaufwärts, das weiß er, gibt es jene romantische Region mit Burgen, wo sich diese Sagen zu den bekannten Mythen verzahnt haben. In ähnlicher Weise haben es ihm die Donau­auen angetan, zumal bei Hochwasser: „Die Donau schwillt vor Selbstvertrauen, holt letzten Schnee sich von den Wiesen.“

Mehr als die Flüsse aber bedeutet dem Autor seine Geburtsstadt Stralsund: „Je älter ich werde, desto mehr zieht es mich wieder zu dir. Süchtig nach salziger Luft.“ In gleich mehreren Gedichten drückt sich eine große Sehnsucht nach der Ostseeküste aus, im Bewusstsein einer Fremdheit, die ihn von den damals Gebliebenen für immer trennt.

Info Horst Ewert: Und tief in mir das Meer. Gedichte. Ralf-Schuster-Verlag, 100 Seiten, 19,26 Euro.