Klimastreik in NRW In Herne streiken „Oma und Opa for Future“
Düsseldorf · Ein Rentnerpaar aus dem Ruhrgebiet will eine sichere Zukunft für seine beiden Enkelkinder und hat für diesen Freitag eine Zweier-Demo angemeldet.
Die Klimastreik-Demos, die an diesem Freitag durch Nordrhein-Westfalen ziehen, könnten Rekordniveau erreichen: Rund 90 Demos unter dem Label „Fridays for Future“ soll es geben, Zigtausende Schüler und Studenten werden durch Städte wie Münster, Bonn, Köln, Düsseldorf, aber auch viele Kleinstädte ziehen, laut und bunt für ihre Zukunft auf diesem Planeten streiten. Nur in Herne, so schien es bislang, kommt die Jugend nicht so recht aus dem Quark. Kurzerhand gründete daher ein Rentnerpaar in der Ruhrgebietsstadt das Minibündnis „Oma und Opa for Future“ und meldete eine Kleinstdemo für diesen Klimastreik-Freitag an.
Der Titel für das Zweiergespann aus Jörg Höhfeld (75) und seiner Frau Jutta Richter (69) ist nicht nur eine Anspielung auf das eigene Alter, sondern tatsächlich Grund für die ganze Aktion: „Wir haben uns das ausgedacht, weil wir selbst zwei Enkel haben“, berichtet Höhfeld. Seine neunjährige Enkelin sei jetzt genau 60 Jahre jünger als die Oma, der fünf Jahre alte Enkel 70 Jahre jünger als Opa. Irgendwann habe das Paar sich mal ausgemalt, wie die Zukunft für die beiden Kleinen wohl in 60 oder 70 Jahren aussehen könnte. „Da hatten wir doch Bedenken ...“, sagt der Großvater. Und er spürte eine gewisse Verantwortung: „Wir sind die Generation, die viele Ressourcen verbraucht hat. Und wenn das so weitergeht, bleibt für die Jungen nicht viel übrig.“
Immerhin seien sie doppelt so viele wie Greta Thunberg
Auch in Herne habe es mal einen Anlauf zum Schülerstreik fürs Klima gegeben. Im Juni, aber nachmittags außerhalb der Schulzeit und mit geringer Resonanz. „Es war ein bisschen merkwürdig“, meint Höhfeld. Das Jugendparlament habe dann beschlossen, vorerst nicht mehr zu demonstrieren.
Was Jörg Höhfeld den Schülern voraus hat: Er hat beobachten können, wie die Klimadebatte seit vielen Jahren immer wieder hochkocht – und rasch erkaltet, während die globalen Temperaturen unbeirrt weiter klettern. Er erinnert sich, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) 2007 durch einen Eisfjord in Grönland schipperten, um sich medienwirksam die Folgen des Klimawandels vor Ort anzuschauen. Ebenso daran, wie Merkel 2013 das Ziel von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen bis 2020 ausgab – nun wird sie froh sein müssen, wenn sie die 100 000-Marke knacken kann.
„Die Debatte ist immer wieder eingeschlafen“, sagt der Herner Rentner. Und ein paar wichtige Jahre lang hätten dann sowieso alle nur noch über die Flüchtlinge gesprochen. Der Unterschied bei der aktuellen Klimawandel-Welle sei immerhin: „Jetzt haben wir es alle gespürt“, sagt er und denkt an die beiden heißen, trockenen Sommer in Folge.
Im Interesse seiner Enkelkinder wollen Höhfeld und seine Frau ein erneutes Wegdämmern des Themas verhindern. Und so sagten sie sich: „Wir machen wenigstens eine Zwei-Mann-Demo – als ,Oma und Opa for Future’.“ Die haben sie auch ganz ordnungsgemäß angemeldet. Der Gedanke hinter der Aktion ist eigentlich logisch, wenn der 75-Jährige ihn erläutert: „Selbst wenn sonst gar keiner kommt, was ich eigentlich nicht glaube, sind wir immer noch doppelt so viele wie Greta Thunberg, als sie sich allein vor das Parlament in Stockholm gesetzt hat.“ Und jeder weiß, was sie damit letztlich erreicht hat.
Tatsächlich steht inzwischen fest, dass das Rentner-Ehepaar nicht allein bleiben wird: Es hat sich doch noch ein Demonstrationszug angekündigt, der durch die Stadt und zum Bahnhof ziehen wird, um dann zur Kundgebung nach Recklinghausen weiterzureisen. Auf der Facebookseite von „Fridays for Future Recklinghausen“ ist der Zwischenstopp bei „Oma und Opa for Future“ am Robert-Brauner-Platz in Herne um 10.30 Uhr offizieller Programmpunkt. Ob deren Minibündnis der Anstoß war, dass der Klimastreik nun doch auch in Herne stattfindet, mag Höhfeld nicht mutmaßen: „Ich will uns da nicht überschätzen.“
Damit, dass die jungen Menschen für den Klimaschutz die Schule schwänzen, hat Jörg Höhfeld kein Problem. „Manche laufen sicher aus Spaß mit. Aber ich glaube, die meisten setzen sich ernsthaft damit auseinander“, sagt er. Die Frage, ob die Schüler eine offizielle Entschuldigung bräuchten, um dem Unterricht fern zu bleiben, findet er jedenfalls albern: „Die müssen sich für nichts entschuldigen. Entschuldigen müssen sich ganz Andere.“ Und damit meint er die Erwachsenen, die den Wandel des Klimas befeuert und zugelassen haben.