NRW-Landtag Kläger in Justiz-Affäre erhebt schwere Vorwürfe

Düsseldorf · In der Justiz-Affäre um die Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts hat ein Bundesrichter für einen Paukenschlag gesorgt. Er sprach von Ämterpatronage und Günstlingswirtschaft.

Die Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts in Münster ist seit Jahren unbesetzt. (Archivfoto)

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Die Schlüsselfigur in der Justizaffäre um die Präsidentenstelle am Oberverwaltungsgericht NRW, ein Bundesverwaltungsrichter, hat schwere Vorwürfe gegen Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) erhoben. Limbach habe nicht die Wahrheit gesagt, sagte Bundesrichter Carsten Günther im Untersuchungsausschuss des Landtags. Die eidesstattliche Versicherung des Justizministers sei „objektiv falsch“.

Ein Sprecher des Justizministers teilte dazu mit, der Zeuge habe seine „sehr subjektiven Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen geäußert, die zu den Aussagen anderer Zeugen in Widerspruch stehen“. Der Minister werde zu seinen Erinnerungen und den Details des Auswahlverfahrens in seiner Vernehmung Rede und Antwort stehen. „Sie weichen in einigen Punkt deutlich von dem ab, was der Zeuge heute bekundet hat.“

Aussage gegen Aussage

Hat der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben? Den Vorwurf erhebt ein Bewerber. (Archivfoto)

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Der Bundesrichter gab weiter an, der Minister habe ihn klar aufgefordert, seine Bewerbung auf die Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts zurückzuziehen. Limbach hatte dies bestritten. Die Beweislast für eine politische Vorfestlegung sei erdrückend, sagte Bundesrichter Günther.

So habe Limbach von einem Vorsprung der konkurrierenden Bewerberin gesprochen, als deren Beurteilung noch gar nicht vorgelegen habe, wie er heute wisse. Er sei sowohl von Limbach als auch von NRW-Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) und dem Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling, aufgefordert worden, seine Bewerbung zurückzuziehen.

„Ämterpatronage und Günstlingswirtschaft“

Zuerst habe Heveling ihn im Juni 2022 angerufen und gesagt, Koalitionskreise in Düsseldorf wünschten sich eine Frau an der Spitze des Oberverwaltungsgerichts. Er könne keine Kompensation anbieten, kooperatives Verhalten werde man aber nicht vergessen. Liminski habe sich später ähnlich geäußert. Die Grünen wünschten sich eine Frau. Der Minister müsse liefern.

Seit seiner Bewerbung hätten sich ungewöhnliche und unvorstellbare Dinge ereignet. Die Auswahlentscheidung sei nicht nach Recht und Gesetz erfolgt, sondern durch eine politische Vorfestlegung, sagte der Bundesrichter. Sie sei damit rechtswidrig. Er sprach von „Ämterpatronage“ und „Günstlingswirtschaft“. Dies bringe „jeden anderen Bewerber um seine faire Chance“. Er sei nicht bereit, dies hinzunehmen.

Kein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren?

Der Dienstherr habe sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern zu verhalten. Dies sei in diesem Verfahren nicht der Fall gewesen. Es habe kein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren gegeben. So habe die konkurrierende Bewerberin mit dem Ministerium in regelmäßigem Kontakt gestanden und bei ihrer Beurteilung 10 oder 15 Mal „unter die Arme greifen dürfen“.

Ein weiterer Bewerber auf das Präsidentenamt sagte als Zeuge aus, Justizminister Limbach habe ihm gegenüber sehr früh und unmissverständlich deutlich gemacht, dass er der Bewerberin den Vorzug geben wolle. Er habe auch gegen die Entscheidung geklagt, das Verfahren aber schließlich nicht mehr weiterverfolgt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts verschaffe ihm im Nachgang eine gewisse Genugtuung.

Rücktritt gefordert

Für die SPD erklärte deren Obfrau Nadja Lüders, Günther habe mit seiner Aussage ein Kartenhaus zum Einsturz gebracht. Sie erneuerte die Rücktrittsforderung der Opposition: Limbach müsse seinen Hut nehmen.

Der Untersuchungsausschuss prüft derzeit, ob Vettern- und Parteibuchwirtschaft den Ausschlag bei der Besetzung der Präsidentenstelle des Oberverwaltungsgerichts gab oder, wie es gesetzlich vorgesehen ist, die Kompetenz der Bewerber.

Zwei Verwaltungsgerichte hatten das Besetzungsverfahren gestoppt. Das in Münster hatte dabei scharfe Kritik geäußert und von manipulativer Verfahrensgestaltung geschrieben. Das Oberverwaltungsgericht hatte als zweite Instanz gegen die Personalentscheidung in eigener Sache keine Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht hatte die OVG-Entscheidung aber teilweise aufgehoben und zurückverwiesen.

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe sahen Anhaltspunkte für eine Vorfestlegung, denen nicht ausreichend nachgegangen worden sei. Sie forderten das OVG auf, den Fall noch einmal genauer zu prüfen.

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