Pittsburgh Symphony Orchestra und Stargeigerin Anne-Sophie Mutter eröffnen die Tonhallensaison der Düsseldorfer Heinersdorff-Konzerte Anne-Sophie Mutter: Erfrischend, emotional, nachdenklich
DÜSSELDORF · . Mit zwei Knüllern begann jetzt die Saison der Heinersdorff-Konzerte in der Düsseldorfer Tonhalle, die selbst bis auf den letzten Podiumsplatz besetzt war. Eine Seltenheit! Das hatte zwei Gründe: Anne-Sophie Mutter, die auch mit 61 weltweit Klassikfans anzieht, tourt derzeit durch die Republik, mit dem berühmten Mendelssohn-Bartholdy-Konzert.
Zusammen mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra, das dann unter dem exzellenten Manfred Honeck mit Mahlers Fünfter noch einen draufsetzt.
Begeisterung und Ovationen belohnten die Pittsburgher mit einem durchfegenden „Rosenkavalier“-Walzer. Anne-Sophie Mutter indes hielt inne. In schwarzer Robe spielte die eben noch virtuos auftrumpfende Stargeigerin „Remembrance“ – das Geigensolo von John Williams aus dem Film „Schindlers Liste“. Nachdenklich und emotional leitet Mutter die Zugabe ein: „Der 1. September ist wichtig für Deutschland.“ Mit leiser Stimme bezieht sie sich auf den Beginn des Zweiten Weltkriegs, genau vor 85 Jahren. Mit ausladender Mittellage und einem hohen Maß an Sensibilität.
Wenn Anne-Sophie Mutter, in der viele immer noch einen der wenigen Klassik-Weltstars aus Deutschland sehen, auftritt, weiß man: Sie setzt eigene Akzente. Sie variiert Tempo und Dynamik so, wie sie heute das romantisch schwelgende e-Moll-Violinkonzert von Felix Mendelssohn-Bartholdy interpretiert. Zunächst lässt sie den Bogen über die Saiten gleiten, über den Steg schweben, berührt ihn kaum, bevor sie dann in einem Affenzahn los schrubbt. Die Extreme in diesem Opus voller Melodien zum Mitsummen lotet sie aus. Manchmal hält sie sich betont zurück und erzeugt eine Spannung durch pianissimo-Hauchen. Stille, Ruhe. Unvermittelt überrumpelt sie dann in rasanten Passagen, in denen sie bis an die Grenze geht. Manchmal darüber hinaus. Und traktiert ihre Stradivari mit so festem Druck auf die Saiten, dass sie ihren Geigenbogen häufig nachjustieren muss.
Mutters Spannweite von Ausdruckskraft und Farbenreichtum, erfrischendem Turbotempo und Intensität ist enorm. Genauso wie ihre Risikofreude. Da bohrt sie eben noch in sonorer der Tiefe, und setzt plötzlich einen verspielten kleinen Bogenstrich in Höchstregister drauf.
Das Orchester aus der Pennsylvania-Metropole, seit 16 Jahren unter dem Österreicher Honeck zu einem erstklassigen Klangkörper gewachsen, bietet dann mit der fünften Symphonie von Gustav Mahler einen Klangschmaus. Nicht nur für Fans von Mahlers ausuferndem 70-Minuten-Opus, das genau vor 120 Jahren in Köln unter Mahler selbst uraufgeführt wurde.
Violinen, Celli und Kontrabässe – entfachen mit einem weit ausholenden Sound die Vorahnungen der Jahrhundertwende. Dabei reagiert der gesamte Streicher-Apparat wachsam und blitzschnell auf Schwankungen und Tempo-Wechsel. Ebenso könnte man Holz- und Blechbläsern stundenlang zuhören. Durch treffsichere Einsätze und schwebende Intonation überzeugen sie nicht nur. Sondern Solo-Trompete und Solo-Horn, die am meisten gefordert sind, lassen an Sauberkeit und Präzision in keiner Sekunde nach. Ein reines Hörvergnügen!
Auch beim sehr langsamen dritten Satz – bekannt als Musik zu Visconti-Verfilmung „Tod in Venedig“. Ein sanft wogendes Klangschiff zieht in diesem ‚Adagietto‘ unter Kapitän Honeck seine Kreise, mit klarer Sicht, viel Gefühl, aber ohne in Süßlichkeit abzudriften.
Mutter und die Pittsburgher treten noch einmal am 5. September in der Kölner Philharmonie auf. Es gibt noch Restkarten.