Anrufe aus aller Welt für den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde

Michael Gilad wünscht sich eindeutige Zeichen gegen Antisemitismus.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. „Warum können die Menschen nicht in Frieden leben?“ Diese Frage entfährt Michael Gilad angesichts der jüngsten tödlichen Anschläge in Kopenhagen auf einen Filmemacher und einen jüdischen Wachmann, der Anschläge in Paris auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt sowie der Verbrechen, die die IS nun inzwischen auch in Lybien angeblich im Namen Alahs begeht. Einschüchtern lässt sich der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde nicht davon.

Aus aller Welt bekomme er derzeit Anrufe von Bekannten. „Was ist los bei euch?“, fragen sie, und haben nicht nur Frankreich, Belgien und Dänemark im Blick. Auch die Aufzüge von Pegida-Anhängern an verschiedenen Orten in Deutschland lässt Juden aufhorchen. Dass in Krefeld im vergangenen Januar mehr als 900 Menschen an einem Schweigemarsch zum Gedenken der Opfer der Pariser Anschläge teilgenommen haben, registriert Gilad mit Zuversicht. Auf Einladung ist er selber mitgegangen.

Ein eindeutiges Zeichen gegen Antisemitismus hat Gilad jedoch im vergangenen Jahr vermisst, als Demonstranten auf dem Neumarkt gegen Israel und Juden agierten. Ebenso als Unbekannte in den Tagen nach dem 9. November am Mahnmal an der Marktstraße das Schild zur Erinnerung an die Befreiung des KZ Ausschwitz vor 70 Jahren mit der Aufschrift „Nie wieder Judenhass“ gezielt zerstörten, indem sie das Wort „hass“ unkenntlich machten. „Darüber mache ich mir Gedanken, das hat jemand bewusst gemacht.“ Davon ist auch der eingeschaltete Staatsschutz überzeugt.

Die Familiengeschichte Gilads ist eng mit dem Holocaust verbunden. Seine Großmutter mütterlicherseits und deren Schwester wurden in Libau/Lettland von den Nationalsozialsten erschossen. Durch Zufall sah er dort 1991, bei einer Reise mit seiner Mutter in deren Heimat, ein Bild deren Mutter. Das hatten die Mörder eine Minute vor ihrem Tod aufgenommen. „So habe ich meine Großmutter kennengelernt“, sagt Gilad ernst.

Seine Eltern, Julius und Eugenie Goldberg, haben die Konzentrationslager Stutthof und Bergen-Belsen knapp überlebt. Michael Gilad kam 1946 in Lübeck zur Welt; zwei Jahre später wanderten seine Eltern nach Israel aus, wo die Familie den Namen Gilad annahm. Mit seiner frischangetrauten Frau kam der junge Gilad 1969 nach Krefeld. 1981 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Krefeld gewählt.

Angesichts der zunehmenden Übergriffe auf Juden in Europa lädt Ministerpräsident Netanjahu Juden ein, nach Israel auszuwandern. „Mich wird er nicht dorthin kriegen“, sagt Gilad und ordnet dessen Aufruf als Wahlkampf ein. Das hätten vor ihm schon andere Ministerpräsidenten gesagt. Er ist hier in Krefeld zu Hause. Vergessen wird er seine Wurzeln dennoch nicht.