Hassmails Auch Krefelds Politiker werden wüst beschimpft
Krefeld. Das gemütliche Bocholt liegt im westlichen Münsterland fast auf der Grenze zu den Niederlanden, hat gut 70 000 Einwohner und ist von jeher Hochburg der CDU. Einer, den viele noch kennen, wurde hier geboren: Roland Wohlfarth, Bundesliga-Knipser der Marke Brecheisen.
Provinz. Und doch schaut seit Mittwoch ganz Deutschland dorthin.
SPD-Chef Thomas Purwin, gerade 35 Jahre alt, hat die Brocken hingeworfen. Etliche Hassmails, viele davon mit fremdenfeindlichem Hintergrund, haben ihn mürbe gemacht. Jetzt wurde sogar seine Tochter bedroht. Schluss. Aus. Auch in Krefeld wird der Ton gegenüber der Politik rauer, nimmt der Respekt ab. Nicht nur, aber insbesondere in den sozialen Medien.
Krefelds SPD-Parteichef Ralph-Harry Klaer und der Fraktionsvorsitzende Benedikt Winzen haben bisher keine Hassmails in dem Maße erhalten, wie es aus Bocholt berichtet wird. „Der Ton wird aber rauer und enthält gelegentlich verletzende oder verallgemeinernde Beschuldigungen“, sagt Winzen.
Bei der CDU sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Britta Oellers: „Persönliche Bedrohungen habe ich zum Glück noch keine erlebt, aber der Stil hat sich verändert. Ich habe nach Entscheidungen zur Verkehrsinfrastruktur auch schon gehört, ich sei Schuld, wenn Kinder verunglückten.“ Aber Oellers sieht einen gesamtgesellschaftlichen Wandel. „Es zählt nur noch ,Ich, ich, ich’“.
Grünen-Chefin Heidi Matthias hat sogar schon Farbbeutel- und Kokelanschläge auf ihr Haus ertragen müssen. Beschimpfungen aus der rechten Ecke inklusive. Aber sie merkt an: „Das ist zum Glück sehr selten, meist gibt’s einen kritischen Diskurs mit den Bürgern. Ich mache ja keine Politik via Facebook, das erspart mir sicher einiges.“
Eine Meinung, die sie mit dem FDP-Kollegen Günter Porst teilt. Da geht es nicht nur um ungebührliche Attacken von Usern, sondern auch um den Umgang der Politik untereinander. UWG-Chef Andreas Drabben ist selbst viel bei Facebook unterwegs und sagt: „Kollegen-Schelte gehört nicht in solch ein Forum.“ Zumal das interne Verhältnis in Krefeld absolut intakt sei.
Auch hier erlebe die Landschaft einen Wandel. Britta Oellers findet etwa, „dass es sich nicht gehört, Kollegen zur Schau zu stellen“, und bezieht sich dabei ganz konkret auf einen Vorgang vom Wochenende. SPD-Bundestagsmitglied Siegmund Ehrmann hatte CDU-Kollegin Kerstin Radomski öffentlich aufgefordert, ihr Abstimmungsverhalten zum Thema Doppelpaß auf Facebook zu erklären. Oellers glaubt: „Es könnte sein, dass ein anderer Stil einzieht.“
Das beurteilen die Sozialdemokraten anders: „Die Kommunikation zwischen den Politikern findet heutzutage zunehmend über öffentliche Medien statt. Hierzu zählen öffentliche Anfragen, über Presse, Funk und Fernsehen sowie über Facebook und die anderen sozialen Medien. Die Politik hat an dieser Stelle die Möglichkeit, ein Vorbild abzugeben und Maßstäbe zu setzen“, findet Ralph-Harry Klaer. Innerhalb der Fairplay-Regeln.