Auf dem poppigen Ei sitzt sich’s gut
Peter Ghyczy hat in den 1960er Jahren Möbel aus Polyurethan entwickelt. Diese sind ab Freitag im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum zu sehen.
Krefeld. Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate haben die Kunstmuseen Krefeld eine großzügige Schenkung eines Designers erhalten. Nach dem französischen Duo Bruno Domes & Philippe Pérès hat jetzt der deutsch-ungarische Designer Peter Ghyczy dem Museum ein Konvolut von Möbeln, Zeichnungen und weiterem Archivmaterial überlassen. Unter den 14 Objekten befindet sich auch eine Design-Ikone des 20. Jahrhunderts: das „Garden Egg Eye“, das auch als Sitz-Ei oder Garten-Ei bekannt gewordene Möbelstück, das Ghyczy 1968 für das Unternehmen Elastogran entwarf.
Der Designer, der in Aachen Architektur studiert hatte, war damals Leiter des von dem Unternehmen neu gegründeten Design-Centers im niedersächsischen Lemförde. Im Zentrum seiner Arbeit stand ein neu entwickeltes Verfahren für den Kunststoff Polyurethan, das zu der Zeit viele Möglichkeiten eröffnete. Das ursprünglich als weicher Schaumstoff bekannte Material konnte nun gehärtet und anders verarbeitet werden.
Es entsprach auch dem Zeitgeist der späten 60er Jahre und revolutionierte das alltägliche Leben. Auch die Space-Ästhetik des Sitz-Eis traf diesen Nerv, und so ist der aufklappbare Sessel, der geschlossen wie eine geheimnisvolle Skulptur wirkt, heute ein echter Klassiker. Der Kunststoff machte es auch für den Außenbereich tauglich. Da die Produktion auf Dauer zu aufwendig war, verkaufte das Unternehmen die Polyurethan-Technik in die damalige DDR, wo das Möbelstück als Senftenberger Sitz-Ei große Erfolge feierte. Das nun den Kunstmuseen überlassene Exemplar ist dem damaligen Trend entsprechend in poppigem Gelb-Orange. Eine Neuauflage in Weiß betont noch mehr die zeitlose Klassik dieses Entwurfs. „Die Zusammenarbeit eines Designers mit einem Industrieunternehmen ist für uns sehr spannend“, sagte Museumsdirektorin Katia Baudin.
An den Arbeiten Ghyczys begeistert sie die Experimentierfreude mit dem Material. So entwarf der Designer aus dem Kunststoff auch multifunktionale Tische, Verkleidungen von Küchenschränken und die Fassade des Firmengebäudes, aber auch interessante Notunterkünfte für Katastrophengebiete. In einer Form aus Kunststoff gegossen wären diese Elemente wesentlich stabiler als Zelte gewesen.
Die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre verhinderte die Umsetzung nicht nur dieses Entwurfs. Der Kunststoff wurde zu teuer, Peter Ghyczy beendete seine Zusammenarbeit mit Elastogran. Er gründete zunächst eine eigene Firma in Viersen. Heute lebt und arbeitet der 77-Jährige im niederländischen Swalmen. Seine bevorzugten Materialien sind jetzt Metall und Glas. „Ich probiere, etwas zu machen, das Bestand hat und nicht auf dem Müll landet“, sagt Ghyczy zu seinen Ambitionen. Seine Haltung zum Kunststoff ist mittlerweile differenziert. Das Material habe viele neue Möglichkeiten geschaffen, man müsse es nur mit Verstand einsetzen.
Die aktuelle Verseuchung der Umwelt durch Plastikmüll ist auch für den Künstler indiskutabel. Er erinnert sich, dass Gottfried Reuter, Chef von Elastogran, sogar mit Erfolg versuchte, in Polyurethan Orchideen gedeihen zu lassen. Direktorin Baudin ist sehr dankbar für diese Schenkung, mit der das Museum seine Sammlungsbestände im Bereich der angewandten Kunst um eine spannende kunstgeschichtliche Episode bereichern kann.
Bereits ab Freitag, 18. Mai, werden in der Ausstellung „Von der Idee zur Form. Domeau & Pérès: Dialoge zwischen Design und Handwerk“ auch einige Werke aus der Schenkung Peter Ghyczys zu sehen sein.