Einkaufen in Corona-Zeiten Supermärkte in Krefeld begrenzen Kundenanzahl
Krefeld · Die Schutzmaßnahmen werden ausgeweitet. Ein Händler spricht vom Wahnsinn vergangener Tage. Bei einem Testeinkauf herrscht gespenstische Ruhe.
Einer dieser sonnigen Nachmittage dieser Woche, der Wind pfeift kühl über den Parkplatz der Filiale einer großen Discounter-Kette. Es fühlt sich so an, als würde man sich irgendwo in der Peripherie an einer verlassenen Landstraße befinden, nicht an einer viel befahrenen Verbindungsstraße Krefelds. Es ist kaum etwas los. So viele freie Parkplätze gibt es hier sonst selten. Und irgendwie fühlt es sich auch so an, als würde man hier zum ersten Mal einkaufen und müsste die Abläufe neu erlernen. Was sonst als Routine abgespielt wird – normalerweise samstags nach dem Frühstück – erscheint ungewohnt.
Auf einem Schild vor dem Eingang sind die Regeln vermerkt, die es aufgrund der Corona-Pandemie zu beachten gilt. „Maximal 50 Kunden“, „Fassen Sie nur an, was Sie auch kaufen“, Halten Sie Abstand – mindestens zwei Meter“, „Einkauf nur mit Einkaufswagen“, „Bleiben Sie gesund“, ist dort zu lesen. Und der Hinweis: „Kein Toilettenpapier, kein Mehl, H-Milch oder Zucker“. Hinweise, die so oder so ähnlich bei vielen Supermärkten und Discountern zu finden sind.
„Bis Freitag war Krieg“, sagt Heiner Kempken, der mehrere Edeka-Märkte in Krefeld betreibt. Sein Personal – an allen Standorten zusammen rund 400 Mitarbeiter – sei teilweise „derbe“ beleidigt worden, Kunden hätten sich um Klopapier gestritten. In der letzten Woche seien 100 000 Kunden in allen Märkten gewesen. Normalerweise seien es um die 60 000.
Ab Montag habe sich die Lage dann beruhigt. Und es sei nicht alles „Krieg“ gewesen. Es gebe auch eine freundlichere Seite der Krise für die Mitarbeiter. Kunden hätten Sektflaschen oder Schokolade verschenkt, vor einem Markt ist ein mit bunter Kreide geschriebenes „Danke“ aufgetaucht. Ebenfalls kein Einzelfall. Vor einem Rewe-Markt an der Uerdinger Straße ist in den vergangenen Tagen ebenfalls ein „Danke“ mit bunter Kreide auf einen Treppenaufgang geschrieben worden.
Aber zurück beim Einkauf des Autors: „Nehmen sie sich bitte einen Einkaufswagen“, sagt ein Mitarbeiter der Discounter-Kette. Der junge Mann trägt ein Headset. Er achtet wohl auch darauf, wie viele Kunden den Markt betreten. An diesem Nachmittag sind es weit weniger als die vorgeschriebene Höchstanzahl von 50 Kunden. Seit Montag gilt das verschärfte Kontaktverbot in NRW. Die Maßnahme und die deutlicher werdenden Appelle scheinen auch hier Wirkung zu zeigen. Und doch gerät der Gang zwischen den Regalen hindurch – die an den meisten Stellen übrigens genauso prall gefüllt erscheinen wie sonst auch – zu einem Slalom-Stop-and-go. Er gleicht eher einem Hindernislauf, auch gedanklich. Erst mal ordnen. Was sollte eigentlich eingekauft werden? Ein Blick auf die digitale Einkaufsliste in der Smartphone-App verrät es: Kartoffeln, Fleisch, Gemüse, Müsli, ein bisschen was zum Naschen.
Wieder blitzt ein Gedanke dazwischen: Nicht vergessen, das Handy muss nach dem Einkauf auch mal wieder gereinigt werden. Oder? Zum Thema mögliche Übertragung durch Bargeld, Kartenterminals oder Einkaufswagen-Griffe erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung, dass Coronaviren „grundsätzlich“ durch „direktes Niesen oder Husten einer infizierten Person auf Oberflächen gelangen und eine Zeit lang überleben. Eine Schmierinfektion erscheine möglich, „wenn das Virus kurz danach über die Hände auf die Schleimhäute des Mund- und Rachenraums oder die Augen übertragen wird“. Also sei es wichtig, die Hygiene-Regeln des Alltags wie „regelmäßiges Händewaschen und Fernhalten der Hände aus dem Gesicht zu beachten“. Man sehe aber „keine Notwendigkeit für gesunde Menschen, im Alltag Desinfektionsmittel anzuwenden“.
Also zurück zum Einkauf: Nicht in das Gesicht packen, das war vorher schon klar. Aber keine Waren anfassen, ohne sie zu kaufen, ist etwas anderes. Irgendwie landen dadurch auch Sachen im Einkaufswagen, die eigentlich nicht auf der Liste standen. Ein wenig wahllos wird eingepackt, was angepackt wird und dazu immer der Abstand zur Kundin vor einem im Blick behalten. Sie trägt pinke Handschuhe, wie sie im Haushalt genutzt werden. Und sie lächelt. Vielleicht ist das Rattern im eigenen Kopf sichtbar geworden? Oder nein, sie bleibt auch im Gang stehen, um auf ihrem Smartphone rumzutippen. Vielleicht nutzt sie eine ähnliche Einkaufslisten-Anwendung und hat sich wiedererkannt.
Was immer wieder auffällt, die Ruhe ist fast gespenstisch. Viele sind alleine Unterwegs. Einsame Jäger auf Nahrungssuche. Obwohl es die – bis auf die erwähnten Ausnahmen – in Hülle und Fülle gibt. Die Menschen, die noch miteinander sprechen, sind die Mitarbeiter der Filiale – sie klären gerade ab, was es nachzufüllen gilt, etwa Kartoffeln oder Zwiebeln in der Gemüseabteilung.
Auffälliger sind die Schutzmaßnahmen, die wie in anderen Märkten, vor allem in den Kassenbereichen sichtbar werden. Auf dem Boden klebt schwarzes Band, dass die Abstände deutlich machen soll, gewellte Plastikwände schützen die Mitarbeiter hinter der Kasse zur Seite hin. „Ab Mitte nächster Woche soll komplett umgebaut werden“, erklärt eine Kassiererin der Kundin mit den pinken Handschuhen. Ein Phänomen dieser Krise. Täglich wird neu bewertet, umgebaut, aufgerüstet, neu geregelt.
Am Wochenende könnte es zu Warteschlangen kommen
Geregelt wird auch bei den Märkten von Heiner Kempken: der Kundenzufluss. Je zehn Quadratmeter eine Person. Das ist die Maßgabe. Zum Wochenende hin könne es daher zu Schlangen vor den Geschäften kommen. Ein Wachdienst zähle, wie viele Kunden die jeweilige Filiale betreten. Kempken rät daher, den Wocheneinkauf vorzuziehen, den Freitag und Samstag zu meiden.
Und was ist mit den Produkten, die seit Tagen Mangelware sind? Klopapier sei immer noch schnell vergriffen, erklärt Kempken, der sich dieses Phänomen auch nicht wirklich erklären könne. Aber: Jeden Tag komme etwas nach, sei aber auch sehr schnell wieder weg. Der Fokus bei den Lieferungen aus dem Hauptlager liege aber auch zurzeit nicht auf den weißen Rollen für das heimische WC. Oberste Priorität sei, die Versorgung mit Lebensmitteln zu gewährleisten.
Zurück zur Versorgung des Autors und seiner Kleinfamilie: Der Einkaufswagen hat sich wie gewohnt gefüllt. Der größte Unterschied zum Einkauf vor Corona – wohl eine neue Zeitrechnung – sind die kleinen Pausen. Um Platz zu lassen, es gibt kein Gedrängel. Im Gegenteil. Geradezu bedächtig werden die Einkaufswagen aneinander vorbeigeschoben. Wir haben verstanden und halten uns daran. Eine Art stummes Bekenntnis zum empfohlenen Mindestabstand zwischen Regalen mit Backpapier und Chipspackungen.
Und an der Kasse gibt es ein versöhnliches Ende: „Und sonst alles gut? Ja, so wie es eben geht“