Einzelhandel Das Ende einer Krefelder Woll-Ära

60 Jahre lang konnten Handarbeit-Fans in der „Wollstube“ alles für ihr Hobby bekommen. Ende April ist damit aber Schluss.

Foto: Dirk Jochmann/Archiv: Dirk Thomé

Krefeld. Auch wenn sie ihr Geschäft „Wollstube“ in wenigen Monaten schließt, Inhaberin Inge Kersten wird auch weiterhin stricken. „Damit kann ich nicht aufhören“, sagt die 79-Jährige und lacht. Traurig sind dagegen die Stammkunden. Schließlich gibt es die Anlaufstelle für Handarbeits-Fans an der Dreikönigenstraße 64 seit 60 Jahren. „Auch für mich waren es jetzt rund 25 Jahre an diesem Standort“, berichtet die Einzelhandelskauffrau und blickt mit ein wenig Wehmut auf die Regale voller bunter Knäuel. „Mein Beruf hat mir immer viel Spaß gemacht, aber jetzt ist Ende April aus Altersgründen Schluss.“

Dann gebe es auch kein Wollgeschäft mehr in der City, erklärt die Geschäftsfrau. Der Inhaber des Ladenlokals habe Kontakt zu Betreibern von Handarbeitsgeschäften aufgenommen, weiß sie. Ob daraus aber ein Nachfolger erwachse, bleibe offen.

Begonnen hat Kersten ihre Tätigkeit in Wickrath. „Auch dort besaß ich ein kleines Ladenlokal und habe dann hier das größere übernommen. Zwei Standorte haben sich nicht bewährt, Wickrath habe ich schnell geschlossen“, erzählt sie. Dabei sei 1991, zum Start, gar kein Wollboom gewesen. „Damals war Tischwäsche gefragt. Die Wolle lief hinterher.“ Dann wurden die Tische anders gedeckt, Servietten wurden nicht mehr hingelegt. Seit zehn Jahren sind deshalb wieder die feinen Fäden vorrangig, heißt es Masche für Masche, eins rechts, eins links.

Überhaupt verlaufe die Nachfrage nach Wolle wellenförmig, berichtet Inge Kersten. „Im Jahr 2000 lief es besonders gut, vor drei Jahren und jetzt ist Stricken wieder beliebt.“ Mit einem Schmunzeln erinnert sie sich an die verschiedenen Trends. Beispielsweise, als die Männer anfingen, sich selbst bunte Ringelmützen zu stricken und als die jungen Frauen entweder mit Babysachen oder Socken starteten.

Socken will auch Kundin Christiane Wellen mit Hilfe der Nadeln entstehen lassen. „Dabei brauche ich Unterstützung und die bekomme ich hier“, erklärt sie. „Ich stricke schon 40 Jahre. Gerade ist mir ein Poncho gut geglückt. An Socken habe ich mich noch nicht herangewagt.“ Sie findet es schön, beim Nachtdienst im Krankenhaus, wenn nichts zu tun sei, diese Handarbeit zu verrichten. „Das beruhigt, man kommt ‘runter, genau wie beim Joggen.“ Außerdem sei es auch eine schöne Tätigkeit parallel zum Fernsehen am Abend. „Man darf sich nur nicht unter Druck setzen, damit etwas fertig wird.“

Das bestätigt die Inhaberin: „Stricken entspannt und man produziert etwas. Ich helfe gerne, wenn etwas nicht klappt und berate auch. Socken stricken ist nicht einfach, sie gelingen mit Humor“, sagt sie. Anhand von Wolle und Nadeln in den Händen sei die Fertigkeit leichter zu erklären, als nach schriftlichen Anweisungen zu stricken. Auch wenn die Kunden ab und zu mit den Nadeln im Geschäft sitzen: „Ein Strickcafé hatte ich nie.“ Manch eine Kundin kommt mit der Modezeitschrift in der Hand zur Tür herein. „Ich suche dann das Passende, denn Wolle halte in allen Farben und Qualitäten vor; zum Stricken, aber auch zum Häkeln oder Sticken.“ Ihr aktueller Tipp: „In Frühjahr/Sommer sind grob gestrickte Oberteile in Pastelltönen in Mode.“

Mit Verkauf, Beratung und Hilfe ist bald Schluss, sagt die Inhaberin, die einen grauen Pulli mit Zopfmuster und einen roten Schal trägt, beides selbst hergestellt aus feiner Merinowolle. „Am 1. Februar beginnt der Räumungsverkauf.“