Interview Debatte um Mietgeschäfte in Krefeld: SPD-Mann Ertürk spricht von "Hexenjagd"

Vorwürfe und Misstrauen haben einem SPD-Politiker aus Krefeld zugesetzt. Vor einer öffentlichen Sitzung spricht er im Interview über eine belastende Zeit.

Foto: Andreas Bischof

Kurz vor der öffentlichen Debatte im Rechnungsprüfungsausschuss nimmt SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk im WZ-Interview kein Blatt vor den Mund.

HerrErtürk, wie geht es Ihnen fünf Tage vor dem großen Showdown im Rechnungsprüfungsausschuss?

Mustafa Ertürk: Ach wissen Sie, was heißt Showdown? Die letzten zwölf Monate waren sicher sehr schwierig für mich. Ohne den Rückhalt aus meinem persönlichen Umfeld und nicht zuletzt die kritische, aber faire Begleitung durch die SPD, Fraktion und Partei, würde es mir deutlich schlechter gehen. Es war anstrengend und belastend, aber wir waren gemeinsam immer um Transparenz bemüht. Das kostet in der Detailaufarbeitung Kraft, hat sich aber gelohnt.

Juristisch konnte Ihnen laut RPA-Endbericht kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Wie ist das moralisch?

Ertürk: Ich habe einen Fehler gemacht, indem die Mietverhältnisse nicht zeitig dem Büro des Oberbürgermeisters gemeldet worden sind, sondern stattdessen dem zuständigen Fachbereich. Aber den kann ich mir kaum vorwerfen. Ich war neu im Rat, wusste das nicht besser. Außerdem ist die Verwaltung auf der Suche nach Wohnraum für Flüchtlinge seinerzeit auf mich zugekommen, hat die beiden Wohnungen in der Heideckstraße für angemessen befunden. Ich bin sogar ihren Vorschlägen zur Mietgestaltung ohne weiteres Verhandeln gefolgt. Es darf kein Vorteil sein, ein Ratsherr zu sein, aber auch kein Nachteil.

Jetzt mal im Ernst: 16 weitere Wohnungen in Ihren Häusern, die von der Immobilienfirma Via Real Estate vermarktet werden, sind ebenfalls in den Fokus gerückt. Geschäftsführerin dort ist Ihre Lebensgefährtin. Wie glaubwürdig wirkt das auf die Öffentlichkeit?

Ertürk: Das kommt sicher darauf an, wie man das sehen will. Ich halte mich lieber an Fakten. Die Via ist 2013 gegründet worden, es gibt drei Gesellschafter. Ich bin und war nie einer. Ich habe Objekte an dieses Unternehmen verpachtet und bin verantwortlich für eventuelle Schäden, das ist alles.

Aber die Rechnungsprüfung belegt auch Telefonate zwischen Ihnen und der Verwaltung im Zuge dieser Mietverhältnisse.

Ertürk: Das ist richtig, es ging dabei wie gesagt um Schäden. Als klar wurde, dass auch die Via Real Estate Wohnungen an die Stadt vermietet, habe ich bereits im Vorfeld dem Fachbereich angezeigt, dass ich Objekte an die Via verpachtet habe. Es ist viel Unwahres behauptet worden in der gesamten Angelegenheit.

Inwiefern?

Ertürk: Vor allem von Medien. Das war eine Hexenjagd. Aber ausdrücklich nicht von der WZ.

Zum Beispiel?

Ertürk: Die Liste ist lang. Ich musste zum Beispiel lesen, dass ich mehr als zwölf Euro pro Quadratmeter kassiert habe, dass es keine Rauchwarnmelder gibt oder ich einen Schwarzbau betreibe. Nichts davon ist übriggeblieben. Es wurde sogar behauptet, ich sei einer der Gesellschafter der Via Real Estate. Unfassbar.

Und warum prüft dann der Staatsanwalt?

Ertürk: Weil die Verwaltung die Berichte des RPA zur Verfügung gestellt hat. Es geht darum, ob es Hinweise auf einen Anfangsverdacht gibt, ermittelt wird nicht. Aber der Weg ist doch insgesamt gut und richtig, größtmögliche Transparenz ist das Beste für alle Beteiligten.

Das erklärte Ziel auch Ihrer Fraktion. Gab es keine interne Kritik?

Ertürk: Doch, natürlich. Aber es gab keine Vorverurteilung, dafür bin ich sehr dankbar, insbesondere für die enge Zusammenarbeit mit Fraktionschef Benedikt Winzen, dem es immer um Aufklärung ging. Sowas geht natürlich auch mit kontroversen Debatten und unangenehmen Gesprächen einher. Noch heute gibt es kritische Stimmen, aber das macht uns als Partei aus.

Trotzdem: ein gefundenes Fressen für den politischen Gegner.

Ertürk: Eigentlich muss man sagen, dass sich die anderen Parteien während der Zeit der Rechnungsprüfung bis zum Endbericht fair verhalten haben. In der letzten Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses ist man dann mangels inhaltlicher Ziele leider umgeschwenkt auf persönliche Angriffe. Das hat mich schon schwer enttäuscht.

Am Donnerstag droht das nächste Tribunal, dann sogar öffentlich. Noch mal: Wie geht es Ihnen davor?

Ertürk: Zunächst mal wird derzeit geprüft, ob ein öffentlicher Rechnungsprüfungsausschuss nicht gegen die Geschäftsordnung verstößt, daher warte ich erstmal ab, ob ich überhaupt teilnehmen darf. Auch hier noch mal: Die Öffentlichkeit schafft Transparenz und das wäre grundsätzlich gut. Ich erwarte allerdings wieder keine inhaltlichen Diskussionen, sondern politisch motivierte persönliche Attacken. Und das von Ratsmitgliedern, sie in unterschiedlichster Hinsicht selbst in geschäftlichen Beziehungen mit der Stadt stehen. Was ja auch in Ordnung ist. Wie gesagt, es darf auch kein Nachteil sein, ehrenamtlich im Rat zu sitzen. Ob ich mir eine öffentliche Sitzung dann antue, weiß ich noch nicht.

Das ist Politik, was erwarten Sie?

Ertürk: Als die Rechnungsprüfung festgestellt hat, dass mit den Verträgen des CDU-Kollegen Timo Kühn alles okay ist, hat der Rat sie selbstverständlich auch mit unseren Stimmen nachträglich genehmigt. Nichts anderes erwarte ich auch. Einfach, damit Angelegenheit auch verfahrenstechnisch sauber ist.

Und dann laufen die Mietverhältnisse weiter?

Ertürk: Warum nicht? Es ist ja alles in Ordnung. Ich werde der Verwaltung aber, sobald der Rat sie nachträglich genehmigt hat, eine monatliche Kündigungsfrist einräumen. Ich bin wirtschaftlich nicht auf diese Verträge angewiesen, wollte, so schnulzig das klingt, nur helfen. Die Stadt kann flexibel selbst entscheiden, ob sie weiter mit dem Privatmann Mustaf Ertürk in geschäftlichen Beziehungen stehen will.