Die Jecken sind in Hochform
Ob in Stadtwaldhaus oder Museumsscheune: Die Karnevalisten kamen am Wochenende wieder voll auf ihre Kosten.
Bockum/Linn. Die Session läuft auf Hochtouren und im Stadtwaldhaus verdichtet sich das närrische Treiben. Das 1. Krefelder Amazonencorps von 1977 lässt einmal im Jahr die Pferde im Reiterhof in Haldern stehen und trifft sich zum Uniformappell. So geschehen am Freitagabend unter großer Publikumsbeteiligung. Der Abend der Truppe beginnt mit dem Auftritt des neu gegründeten Teenie-Tanzcorps der 1878er. „Wenn dat Trömmelche geht...“ schallt es durch den Saal und zwölf Mädchen und Jungen marschieren ein. Sie legen eine kesse Sohle aufs Parkett.
Heike Krouß, die Kommandeurin, bedankt sich mit Süßigkeiten und dann gibt es Ehrungen und Beförderungen. Immer wieder gibt es neue „Amazonen in Lauerstellung“. Derzeit hat das Amazonencorps mit dem Pferd im Wappen und dem Wahlspruch „3x Hufschlag frei“ genau 22 Mitglieder.
Im Vorraum warten schon Prinz René I. und Prinzessin Sabine II. mit ihrem Hofstaat. Sie kommen gut an und es folgt die Große Garde der 1878er, die ebenfalls viel Beifall bekommt. Nach einer Pause bieten die Amazonen traditionsgemäß ein selbst gestricktes Programm, diesmal unter dem Motto „Willkommen im Amazonengarten“. Zwei Moderatorinnen, Carmen im Nebel und Lisbeth aus Mallorca, präsentieren ihre Einfälle und das Publikum quittiert diese mit großem Vergnügen.
Mit Ausnahme der Ferienzeiten geht es alle 14 Tage zum Training nach Haldern bei Wesel. Auch dort trägt man manchmal Uniform, um die Pferde — eigentlich Fluchttiere — an die bunten Farben zu gewöhnen. Ebenso wichtig ist die Gewöhnung an laute Musik. Da kommt es schon mal vor, dass der Stallbesitzer ein allzu scheues Tier austauschen muss, wenn es Fanfaren- und Trommelklänge nicht aushält. Die Amazonen führen den Rosenmontagszug an. Ganz selbstbewusst hört man den Kommentar der Damen: „Wo wir sind, ist vorne“.
Am Abend drauf bleibt es jeck im Stadtwaldhaus — bei der Galasitzung der Gesellschaft Parlament. „Denn ich ben nur ‘ne Kölsche Jung“ hallt es am Samstag gegen acht Uhr abends durch den Saal. Max aus Schiefbahn gibt mit dem Karnevalslied den musikalischen Startschuss für die Galasitzung. Die 180 Gäste in bunten Kostümen sind sofort in Stimmung. Sie stehen von den langen Tischen auf, fangen an zu klatschen und ihre Arme zu schwingen. Eine Karawane geht durch den Saal. Immer wieder rufen sie „Zugabe“.
Die acht Programmpunkte bieten bis Mitternacht ein Programm aus Musik, Tanz, Comedy und dem Krefelder Prinzenpaar. Zur Begrüßung und Verabschiedung rufen die Jecken stets ihren Vereinsspruch „Parlament Salü“. Dazu gibt es Essen und reichlich Getränke. Zum zehnten Jahr feiert der Krefelder Karnevalsverein nun im Stadtwaldhaus. Geschäftsführerin Silvia Simons zeigt sich begeistert und sagt erwartungsvoll: „Es geht um Stimmung, Spaß und Freude.
Am selben Abend, knapp fünf Kilometer südöstlich, geben sich die Tollitäten die Türklinke in die Hand: bei der Kostümsitzung der Lenn‘sche Burgwitter 1948 in der Museumsscheune. Prinz Elias I. macht den Anfang, in der illustren Reihe — es folgt das Kinderprinzenpaar vom Stadtponyhof, das Uerdinger Prinzenpaar und die Tollitäten aus St. Tönis.
Erwin Lichtenberg, Präsident der Lenn’sche Burgwitter, ist ganz in seinem Element. Beim jecken Jubiläum „70 Jahre Burgwitter“ darf natürlich die traditionelle Ernennung der Närrischen Burggrafen zu Linn nicht fehlen. Lichtenberg erinnert daran, dass die Burgwitter schon zu früheren Jubiläen immer wieder amtierende Oberbürgermeister eingeladen hatten, die jedoch nie kamen.
Der aktuelle OB Frank Meyer rettet, zum 70. Geburtstag, die Ehre seiner Zunft. In seiner Dankesrede für den närrischen Ritterschlag erinnert er an Krefeld im Jahr 1948. „Die Stadt liegt in Trümmern und da kommen die Leute auf die Idee, einen Karnevalsverein zu gründen. Nicht alles war trostlos in der Zeit.“ Alexander Raitz von Frentz, Vorsitzender der AG Flachsmarkt und Helmut Drießen, Vorsitzende der Garde des Krefelder Kinderprinzenpaars werden anschließend auch zu Närrischen Burggrafen erklärt. Nach den offiziellen Programmpunkten beginnt dann der gemütliche Teil der Jubiläums-Kostümsitzung der Lenn‘sche Burgwitter.
Im Pfarrsaal von St. Margareta feiert, ebenfalls am Samstag, die Linner Burggarde Greiffenhorst 1988 e.V. einen runden Geburtstag. Zum Dreißigsten ist der Saal in Rot und Grün geschmückt. Kostümierte Narren füllen den Pfarrsaal — kein Platz bleibt frei. Schon am Vormittag treffen sich hier die Karnevalisten, um einen neuen Ehrensenator in ihre Garde aufzunehmen.
In diesem Jahr ist es Bäckermeister Jürgen Lomme vom Glockenspitz, der in die illustre Reihe aufgenommen wird. Voraussetzung für diesen Ehrentitel ist, so die Präsidentin Monika Schwaiger, dass die Person ideell und finanziell die Linner Burggarde und dabei insbesondere die Nachwuchsarbeit des Karnevalsvereins, unterstützt. Wie gut die funktioniert, zeigt mit einem Tanz die Mini Garde, in der die jüngste Tänzerin gerade einmal vier Jahre alt ist.
Doch nach allen Begrüßungen wird es erwachsenengerecht heiter. Der Advokat alias Helmut Höffken berichtet als Chronist von Trauerspielen und Schildbürgertum in der Stadt. Dabei schlägt er auch vor, dass sich Krefeld als UNESCO Schlagloch-Weltkulturerbe bewerben könne. Jeck United sorgt dann gleich wieder dafür, dass Tanzstimmung in den Pfarrsaal kommt und dieser sich schnell in eine heitere Disco verwandelt.