Die Steinzeitwelt zirpt und trötet

Filme, Landschaften, Originalfunde, Rätsel, Spiele gibt es in der Ausstellung „Vom Steinzeitmenschen zum Städter“ im Limburgs Museum in Venlo zu entdecken.

Foto: Kim Roufs

Ein Schritt vom nüchternen Flur durch die Glastür und man steht in einer prähistorischen Landschaft. Es zirpt, zwitschert und alle paar Minuten trötet es so laut, dass man nur ahnen kann, dass das Geräusch von einem ziemlich großen Tier stammen muss. Die Steinzeitmenschen haben vermutlich gut daran getan, sich bei solchen Lauten hinter den nächsten Baum oder Felsen zu ducken. Oder gleich den Speer in die Hand zu nehmen und auf Angriff umzuschalten.

Heute reicht es, sich zu vergewissern, dass man das Handy aus- oder leisegestellt hat. Denn in dieser Umgebung zwischen mehrere zehntausend Jahre alten Exponaten käme man sich mit einem Smartphone nicht nur merkwürdig vor. Wenn man sich auf die Ausstellung „Vom Neandertaler zum Städter“ des Limburgs Museum in Venlo richtig einlassen will, darf man sich auch nicht stören lassen.

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Blick nach Venlo

Und das liegt nicht nur daran, dass die meisten Info-Tafeln, -Filme und auch die Angebote für Kinder mit lehrreichen Spielen und Rätseln auf Niederländisch und Englisch verfasst sind und deshalb Konzentration gefragt ist (eine Deutsche Zusammenfassung, die an der Kasse erhältlich ist, hat nur drei Seiten).

Es liegt auch daran, dass man schon für den Teil der Dauerausstellung im Untergeschoss des Museums, das die Kulturgeschichte Limburgs zeigt, mehr als anderthalb Stunde Zeit mitbringen sollte. Und da ist noch nicht einkalkuliert, was Kinder noch an Klappen, Schubladen und Kisten für sich entdecken können. Geschweige denn die erste und zweite Etage des Museums, in denen auf die Besucher noch Schwerpunkthemen wie „Kirche, Staat und Gläubige“, „Mittelalterliche Burgen“, „Ernährung und Esskultur“ oder „Mode“, „Feste, Vereinsleben und Dialekt“ warten.

Die Zeitreise geht weit zurück: 250 000 Jahre vor Christus lebten auf dem Gebiet der heutigen Niederlande nach Expertenschätzungen zirka 1000 Menschen. Mammutknochen, Werkzeuge, das rekonstruierte Aussehen von Hirsch-, Hasenähnlichen und anderem Getier sind in Vitrinen zu entdecken. Die ältesten Spuren menschlichen Lebens in den Niederlanden sind Spuren eines Biwaks am Maas-Ufer, bei dem von den Jägern ein Rhinozeros erlegt und gegessen, Flintsteine angefertigt und wahrscheinlich ein Feuer gemacht wurde.

Diese Nomaden verschwanden, der moderne Mensch zog um 40 000 nach Europa, in Limburg kam er wohl um 12 000 vor Christus an. Hunderte Messer, Pfeilspitzen, Hackebeile, Faustbeile, Spatel und Bohrer in Vitrinen, Schubladen, Kisten und Kästchen zeugen vom Erfindungsreichtum der Menschen und der Entwicklung von Jagdgruppen zu Bauernkolonien.

Filme stellen das Leben der Menschen damals nach, zeigen alltägliche und handwerkliche Gegenstände, die sie nutzten. Und in verschiedenen hübsch gestalteten Landschaften in Größen, wie man sie von winzigen Modelleisenbahnen kennt, wird die sich verändernde Lebensweise dokumentiert: über die ersten selbstversorgenden Bauernansammlungen, die sich durch die Spezialisierung auf verschiedene Handwerke wandelten, und die Römer-Zeit bis zum frühen Mittelalter. Immer verändert sich auch die Atmosphäre in den Ausstellungsräumen, sind die Geräusche in einem verkürzten Tag-Nacht-Wechsel so unterschiedlich wie die Zeiten, in denen die Menschen versuchten, so gut wie möglich zu überleben, zu leben, sich auszuleben.

Im 12./13. Jahrhundert entwickelte sich Venlo zum städtischen „Platz“ an der Maas, begünstigt durch die flache Bucht des Flusses mit natürlichem Hafen. Ein letztes großes Fundstück im Untergeschoss der Ausstellung zeigt, wie sich jede historische Ausstellung immer auch wandeln muss — je nach Stand der Wissenschaft. Ein kompletter frühmittelalterlicher Keller wurde lange Zeit für einen Bestandteil eines jüdischen rituellen Badehauses aus dem 13. Jahrhundert gehalten. Dieser Venloer Keller sei eine „besondere Zeitkapsel“ heißt es in der Ausstellung. Aber auch, dass spätere Untersuchungen zeigten: Keiner weiß, welche Funktion das Haus tatsächlich hatte. Für die Forscher gibt es noch viel zu tun.