Stadtbad Neusser Straße Diese Freischwimmer hauchen dem alten Stadtbad wieder Leben ein

Krefeld · In dem Verein kann sich jeder mit Ideen, Kreativität und Einsatz einbringen. Wir stellen einige Mitglieder vor.

 Dirk Graunke ist als Architekt für bau- und planungsrechtliche Dinge zuständig. Er plant eine Plattform im großen Becken.

Dirk Graunke ist als Architekt für bau- und planungsrechtliche Dinge zuständig. Er plant eine Plattform im großen Becken.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die Freischwimmer sind ein Verein aus engagierten Krefelder Bürgern jeglichen Alters und beruflicher Ausrichtung, die das alte Stadtbad Neusser Straße neu beleben wollen. Wir stellen Ihnen einige der Ehrenamtler exemplarisch für die vielen Anderen vor.

Dirk Graunke: Der Mann für baurechtliche Fragen

Dirk Graunke hat einen Blick für gute Architektur. Kein Wunder: beschäftigt er sich doch schon von Berufs wegen damit. Der 49-Jährige ist in Krefeld geboren und aufgewachsen. Als Schüler des Arndt-Gymnasiums hat er im Schwimm-Unterricht seine Runden im Wasser im Stadtbad Neusser Straße gedreht. „Doch das dazugehörige Freibad kannte ich nicht“, sagt er. Als er es bei einer der „Bad runden“ auf Einladung der Freischwimmer im März das erste Mal sah, kam er aus dem Staunen erst gar nicht mehr heraus. „Das war ein richtiges Aha-Erlebnis“, erzählt er. Gleichzeitig schoss es ihm durch den Kopf: „Das kann doch nicht sein, dass es so brachliegt.“

Er habe spontan seine Hilfe angeboten – und stieß auf offene Ohren. Marcel Beging, einer der Initiatoren des Vereins Freischwimmer, nahm diese Hilfe erleichtert an. Baurechtliche Fragen und Verfahren sind knifflig und für das Stadtbad Neusser Straße gibt es viele Ideen. „Ich bin Vereinsmitglied geworden und helfe jetzt in baurechtlichen und planungsrechtlichen Dingen, stelle Bauanträge und mehr“, sagt Graun. Ihm gefallen die Leute im Verein, die mit Herzblut dran gehen, ihre Freizeit opfern, um an den Gebäuden und auf den Außenflächen zu arbeiten. „Woche für Woche sehe ich Fortschritte, wie zum Beispiel bei der neuen ,Mach-Werk-Stadt‘, die innerhalb weniger Wochen in der alten Werkstatt auf dem Innenhof entstanden ist“, so Graun.

In einem ersten wesentlichen Schritt soll der Außenbereich für Veranstaltungen ertüchtigt werden. „In Kürze werden wir Nutzungsänderungsanträge stellen“, verrät Graunke. Man müsse Brandschutzbelange berücksichtigen, die Fluchtwegesituation und Lärmschutzemissionen. Im großen Schwimmbecken soll eine schwimmende Plattform als Bühne für Veranstaltungen installiert werden. Im nächsten Frühjahr wollen die Ehrenamtlichen mit der Arbeit daran beginnen. „Unsere Vision ist es, dass hier langfristig ein grüner Bürgerpark entsteht“, sagt Graunke. Daran arbeite er gerne ehrenamtlich mit.

Monika Jagla: Visionen fließen in Satzung und Design

Monika Jagla sprüht nur so vor Kreativität und Fantasie. Die 34-jährige Designerin hat an der Hochschule Niederrhein ihren Bachelor und Master absolviert und in der Alten Krefelder Samtweberei erlebt, wie ein Projekt Fahrt aufnimmt. Mit ihrer Freundin Katrin Mevissen hat sie dort ein eigenes Büro eröffnet. „Die Idee der Freischwimmer, dass jeder sich kreativ einbringt und das Freibad neu belebt, hat mir so gut gefallen, dass ich fast von Beginn an mitgemacht habe“ erzählt sie. Über Monate hat sie mit weiteren bis zu 18 Leuten regelmäßig zusammengesessen, um die Satzung des Vereins zu erarbeiten. „Wir wollen den Raum öffnen und mit Bürgern dort Visionen umsetzen; das Stadtbad ist eine traumhafte Oase, einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt, das ahnt doch erst einmal niemand.“

Obwohl sie inzwischen privat und beruflich zwischen Köln und Krefeld pendelt, ist sie den Freischwimmern weiterhin eng verbunden. Sie arbeitet mit im Kollektiv aus den fünf Gründungsmitgliedern, die für das visuelle Gestaltungsbild der Freischwimmer zuständig sind. Gemeinsam haben sie das Logo und das Konzept der Bad-Runden entwickelt, die Internetseite aufgebaut, aber ebenso auch das Gelände entrümpelt und aufgeräumt. „Das macht super viel Spaß – und wir erreichen darüber immer mehr Mitmacher“, freut sich Monika Jagla.

Philipp Voss: Freibecken wird zum großen Aquarium

Der 33 Jahre alte Philipp Voss ist eigentlich Düsseldorfer. Im vergangenen Jahr haben er und seine Frau sich ein Haus in Fischeln gekauft und im Geburtsvorbereitungskurs Kerstin Mevißen und Marcel Beging von den Freischwimmern kennengelernt. „Marcel erzählte uns von den positiv Verrückten, die auf der Suche nach weiteren positiv Verrückten für die Belebung des Stadtbades seien“, erinnert er sich. All das was er hörte, gefiel ihm gut. Dabei kam ihnen die Idee, Fische im kleineren Becken im Freibad auszusetzen. Darum kümmert sich jetzt Philipp Voss, denn seit 28 Jahren ist er begeisterter Aquarianer, der selber Bunt-Barsche gezüchtet hat.

Von einem Spender aus der Nähe von Troisdorf hat er einige Kois, eine Pumpe und Filter besorgt. „Inzwischen schwimmen neun fast ausgewachsene Kois mit einer Länge von 50 bis 60 Zentimeter in dem Becken“, erzählt er. Auch künftig wird er sich um die Fütterung und das Wohl der Tiere kümmern. Im Winter werde eine Belüftung eingeschaltet, damit der Teich nicht zufriert, im Frühjahr dann professionelle Filter eingebaut. Er ist „Feuer und Flamme“ für das Projekt der Freischwimmer. „Das hier kann etwas ganz Großes werden“, ist er als Neu-Krefelder überzeugt.

Rainer Moll: Verliebt in den perfekten Platz für Fotografen

Rainer Moll schwärmt: „Das alte Stadtbad ist ein magischer Ort.“ Die Architektur, die Fliesen, die kleinen Details – all das begeistert den 55-Jährigen. Der Mann hat einen Blick für solche Dinge, denn die Fotografie ist seine große Leidenschaft. Diese Leidenschaft bringt der hauptberufliche Sozialpädagoge und Familientherapeut bei den Freischwimmern ein. Immer wieder möchte er das Bad für Fotogruppen öffnen.

Am Tag des offenen Denkmals ist er im Bad mit den Freischwimmern in Kontakt gekommen – und geblieben. Bei der Führung habe er sich sofort in das Gebäude verliebt, sagt Moll. Und die Gruppe sei ein netter Haufen.

Das Projekt hat Molls Haltung zur Stadt verändert. „Früher gehörte ich zur Fraktion, die gesagt hat, dass in Krefeld nichts läuft“, sagt er. Ideen wie die der Freischwimmer würden zeigen, dass es auf das richtige Engagement ankomme. „Dann läuft was.“

Moll wünscht sich, dass der weitere Verfall des Bads gestoppt werden kann. „Die Entwicklung hier könnte den gesamten Stadtteil aufwerten.“ Er kann sich vorstellen, dass etwa Gründer künftig am Standort ein Zuhause bekommen.

Moll kümmert sich vorerst um die Fotografen. Vor einigen Wochen organisierte er für Gruppen erstmals mehrstündige Fotosafaris. Die Teilnehmer können durch dutzende Räume streifen. Abends, als er als Letzter alles abgeschlossen habe, habe das Stadtbad durchaus Geisterstunden-Atmosphäre gehabt. Die nächsten Fotosafaris veranstaltet Moll am 23. und 24. November. Informationen zur Anmeldung gibt es demnächst im Newsletter der Freischwimmer.

Esther Keil: Schauspielerin träumt von Theater im Bad

Eine echte Freischwimmerin sei sie natürlich nicht, sagt Esther Keil. Schließlich habe sie sich bislang nur an einer Aktion der Gruppe beteiligt, sagt die Schauspielerin. Was folgt, ist ein begeistertes Plädoyer für das Stadtbad und den Unterstützerkreis: „Das ist genau das, was Krefeld braucht.“ Die 50-Jährige spricht von einem „irrsinnigen Areal“ und einem „Schmuckstück für die Stadt“.

Die Kreative wünscht sich, dass Krefeld sich das Ruhrgebiet zum Vorbild nimmt. Dort habe man etwa mit Zeche Zollverein in Essen gezeigt, was sich aus historischen Plätzen machen lässt.

Bei den Freischwimmern hat Keil ein Videoprojekt unterstützt. Die Gruppe hat zu verschiedenen Räumen kurze Clips mit skurrilen Inszenierungen gedreht. Keil würde gerne für eine größere Produktion zurückkehren. „Es wäre toll, wenn wir vom Theater aus etwas im Bad machen könnten.“ Erstmal ist das ein Traum, denn baulich müsste sich für entsprechende Genehmigungen einiges tun. Aber die Freischwimmer-Initiative ist eben auch eine, die von Visionen lebt.

Rainer Scharl: Die Geschichte der Stadt erforschen

Die Gründung der Freischwimmer habe er noch in der Zeitung verfolgt, sagt Rainer Scharl. Aus Neugierde habe er die Gruppe dann mal besucht und ist nun – knapp sechs Monate später – schon der Historiker des Vereins. Ihn interessiere Industriekultur und Stadtgeschichte, sagt der 56-Jährige. Zudem sei er nie aus Krefeld weggezogen. Perfekte Voraussetzungen also. Er habe sich zunächst eingelesen, sagt der Mitarbeiter der Stadtwerke Willich. Die Zahl der Quellen zum Stadtbad sei überschaubar.

Bei seinen Recherchen habe er dennoch einiges über die Stadthistorie gelernt, sagt Scharl. „Zur Eröffnung 1890 stand die Volksgesundheit im Mittelpunkt.“ Immer mehr freie Weber seien im Zuge der Industrialisierung aus dem Umland zu den großen Betrieben nach Krefeld gekommen. Das eigene Bad in der eignen Wohnung war längst keine Selbstverständlichkeit. Die Krefelder Antwort auf mangelnde Hygiene war das Stadtbad.

Für Scharl ist das Bauwerk wie für viele Gäste auf seinen Führungen eine Erinnerung an Kindheit und Jugend. „Mit der Grundschule waren wir hier noch zum Schwimmen“, sagt Scharl. Da habe der Verfall in anderen Teilen des Gebäudes schon begonnen. „Das hat in den 1950er Jahren angefangen“, sagt Scharl.

Er hofft, dass das Areal des alten Stadtbades durch das gesellschaftliche Engagement der Freischwimmer wieder in den Fokus von Investoren rücken könnte.