Interview FDP-Landtagskandidaten: Blitzer-Marathons vergeuden Zeit
Die FDP-Landtagskandidaten über eine wehrhafte Demokratie, eine schwache Regierung in NRW sowie Show-Aktionen der Polizei.
Krefeld. Die Liberalen sind im Aufwind. Mit aktuell prognostizierten elf Prozent könnten sie die Grünen an der Seite der SPD ablösen. Eine ungewöhnliche Konstellation, die auch inhaltlich ein schwer leistbarer Spagat wären. Die FDP-Landtagskandidaten für die beiden Krefelder Wahlkreise, Birgit Koenen und Daniel Dick, sparen im WZ-Interview jedenfalls nicht mit Kritik an einer „schwachen Regierung“. Und sie gehen selbstbewusst ins Rennen.
2012 gab es zwischen Erststimmen und Zweitstimmen in den Krefelder Wahlkreisen ein Delta von bis zu 6,3 Prozent zu Lasten der FDP-Direktkandidaten. Was wollen Sie besser machen?
Daniel Dick: Die aktuellen Umfragen sind ausgesprochen gut. Zuletzt veröffentlichte der Kölner Stadtanzeiger eine Forsa-Umfrage, die die Freien Demokraten bei elf Prozent sieht. Das ist eine hervorragende Motivation: Wir wollen drittstärkste Kraft im Land werden — vor Grünen und AfD. Mit Christian Lindner an der Spitze wird uns das gelingen.
Birgit Koenen: Bei der Landtagswahl 2012 haben wir in Krefeld 10,75 Prozent der Zweitstimmen gewonnen. Das war das beste FDP-Ergebnis in einer kreisfreien Stadt in ganz Nordrhein-Westfalen. Bei den Erststimmen lagen wir im Stadtgebiet bei 5,17 Prozent — auch ein sehr gutes Ergebnis. Wir wollen natürlich auch am 14. Mai das bestmögliche Ergebnis erreichen.
Die SPD setzt auf ein konsequentes „Weiterso“: Ist die Schlusslicht-Debatte eine Erfindung der Opposition?
Koenen: Nein, das ist leider keine Erfindung. NRW ist in fast allen Statistiken entweder Schlusslicht oder auf den hinteren Rängen. Das betrifft die Bildung, die Wirtschaft, die Haushaltspolitik und selbst die Kinderarmut. Dabei war das mal das Prestigeprojekt von Frau Kraft. Die SPD-nahe Hans-Böckler-Stiftung stellt fest, dass 2010 20,9 Prozent der Kinder in einem armen Haushalt lebten, 2014 waren es 23,6 Prozent. Die U3-Betreuungsquote ist die niedrigste im ganzen Land. Und mit dem Haushalt 2017 planen SPD und Grüne die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenländer. NRW ist ein starkes Land. Leider wird es aber schwach regiert.
Dick: Jetzt feiern SPD und Grüne tatsächlich, dass NRW im ersten Halbjahr 2016 nicht mehr Letzter beim Wirtschaftswachstum ist. Bürokratie wie das Tariftreue- und Vergabegesetz, die „Hygieneampel“ oder der wirtschaftsfeindliche Landesentwicklungsplan hemmen die wirtschaftliche Dynamik.
Apropos Opposition: In Krefeld ist die FDP die Opposition. Mit ungewöhnlichen Standpunkten. Chef Joachim C. Heitmann positioniert sich gegen die Privatisierung von kommunalen Aufgaben in eine Anstalt öffentlichen Rechts und befürwortet Videoüberwachung. Ticken Krefelder Liberale anders?
Koenen: Auf mich wirkt die jetzt eingerichtete Anstalt öffentlichen Rechts eher wie eine halbherzige Schein-Privatisierung. Es gibt nämlich hoheitliche Aufgaben, die nicht von der AöR sondern weiterhin von der Kernverwaltung wahrgenommen werden müssen. Ineffiziente Doppelstrukturen sind die Folge. Die wichtigen Entscheidungen fallen in der AöR offenbar im nicht-öffentlichen Verwaltungsrat.
Dick: Die Videoüberwachung des öffentlichen Raums regelt in NRW das Polizeigesetz. Das Polizeigesetz setzt in Krefeld der Polizeipräsident um. Herr Furth sagt, er könne — zum Beispiel — auf dem Theaterplatz keinen Kriminalitätsschwerpunkt erkennen. Wichtiger ist mir aber, dass wir endlich mehr Polizisten auf die Straße bekommen. Das schafft Sicherheit. Statt wertvolle Dienstzeit mit Blitzer-Marathons und der Begleitung von Schwertransporten zu verplempern, sollen sich unsere Polizisten lieber um Taschendiebe und Einbrecherbanden kümmern.
Durch den allgegenwärtigen Herrn Heitmann wird die FDP in Krefelds Öffentlichkeit oft als „One-Man-Show“ wahrgenommen. Wie wollen Sie jetzt im Wahlkampf ihr Profil schärfen? Und auf welchen Kanälen?
Dick: Neben der Ratsfraktion haben wir profilierte Ansprechpartner in allen neun Bezirksvertretungen. In allen Stadtteilen sind Freie Demokraten in Sport-, Brauchtums- und Bürgervereinen engagiert. Zur Bundestagswahl im September kandidieren für die Krefelder FDP zwei Mitglieder des FDP-Bundesvorstands: Florian Philipp Ott und Otto Fricke.
Der Türkei-Konflikt reißt eine tiefen Graben in die Krefelder Community. Betriebe, Schulen, sogar Kindergärten. Welches ist die richtige Haltung gegenüber Erdogan und seinen Wahlkampfambitionen auf deutschem Boden?
Koenen: Alexander Graf Lambsdorff und Christian Lindner zeigen klare Kante: Die FDP ruft die Bundesregierung auf, Wahlkampfauftritte türkischer Offizieller zu unterbinden. Die rechtlichen Mittel dafür hätte sie. Stattdessen schiebt die Kanzlerin die Verantwortung für solche Veranstaltungen an die Kommunen ab. Das halte ich für einen schlechten Scherz, wenn ein — unter Umständen sogar ehrenamtlich tätiger — Bürgermeister sich mit dem türkischen Regime anlegen soll.
Die AfD bringt in den Krefelder Wahlkreisen Kandidaten ohne bekannten politischen Hintergrund an den Start. Erwarten Sie für Krefeld einen Parolen-Wahlkampf?
Koenen: Die AfD zeigt jetzt ihr wahres Gesicht. Sie steht für einen intoleranten Staat und für ein Gesellschaftsbild aus dem vorvorigen Jahrhundert. Gepaart mit Populismus ist das eine Giftmischung, die die Menschen nicht wollen.
Dick: Ich erwarte eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Probleme unseres Landes: Wirtschaft, Wohlstand, Bildung, Infrastruktur. Die demokratischen Parteien sollten zusammenstehen gegen Extremisten und Populisten — linke wie rechte.
Welches sind für Sie die wichtigsten Krefelder Interessen in Düsseldorf?
Koenen: Jedes Kind hat Anspruch auf die beste Bildung. Ich kann es nicht akzeptieren, dass NRW weiterhin in Leistungsvergleichen in Mathematik und Naturwissenschaften regelmäßig miserable Plätze einnimmt. Für die beste Bildung der Welt werden wir neue Wege gehen: Mehr Freiheit und Autonomie für die Schulen vor Ort durch ein Schulfreiheitsgesetz. Konkret: mehr personelle, organisatorische, pädagogische und finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten für Schulen.
Dick: Die wichtigste Frage für mich ist, wovon wir in Zukunft leben wollen. Wir müssen dafür sorgen, dass bestehende Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden. Das betrifft Krefeld als Industriestandort in besonderem Maße. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Infrastruktur, also die besten Verbindungen — sowohl auf der Straße als auch über das Internet. Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte und ein wirtschaftsfreundliches Klima, in dem Unternehmen gerne investieren.