Gericht Ein Jahr und neun Monate für Messerangriff

Krefeld · Der Angeklagte hatte seine Ehefrau im Schlaf überfallen.

Die Verteidigung plädierte auf gefährliche Körperverletzung.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Selten sind Staatsanwälte und Strafverteidiger im Gerichtssaal einer Meinung. Auch am Mittwoch vor dem Landgericht lagen die juristischen Meinungen über eine Straftat ziemlich weit auseinander. Während die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren unter anderem wegen versuchten Mordes beantragte, stand Rechtsanwalt Jörg Hintzen auf dem Standpunkt, dass seinem Mandanten als schwerstes Delikt nur eine gefährliche Körperverletzung vorgeworfen werden könne und eine Verurteilung ein Jahr Freiheitsstrafe nicht überschreiten sollte.

Es war der letzte Tag in dem Prozess um einen Messerangriff auf eine 39-Jährige. Der Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Hausfriedensbruch zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. In der Anklage hieß es noch, ihr getrennter Ehemann habe sich in das Schlafzimmer der Frau geschlichen und versucht, die Schlafende mit einem Cutter-Messer zu töten.

Diesen Tötungsvorsatz sah die Staatsanwältin auch am Ende der Hauptverhandlung noch immer als erfüllt an. „20 Jahre führten die beiden eine — ich nenne es mal — schlechte Ehe“, so die Anklagevertreterin. Immer wieder habe es Gewalt und Streit gegeben, der Angeklagte habe außerdem ein Alkoholproblem. Mehrmalige Trennungsversuche durch die Frau habe er nicht akzeptiert und daraufhin gedroht, die Ehefrau umzubringen. Das habe er in der Septembernacht 2018 in die Tat umsetzen wollen.

Auch die Nebenklagevertreterin, die für das Opfer sprach, schloss sich der Bewertung an. Die Rechtsanwältin Anja Oberst-Halb glaubte dem Angeklagten genauso wenig wie die Staatsanwältin seine späte Entschuldigung im Prozess nicht. „Er ist ein gewalttätiger Mensch, der hier in Selbstmitleid versinkt.“ Selbst im gerichtlichen Scheidungstermin, der vor rund einem Monat stattfand, habe er die Ehe nicht beenden wollen. Obwohl er seine Frau in der Vergangenheit mehrfach geschlagen hatte. Einmal hatte er ihr sogar das Jochbein gebrochen. Das wurde allerdings entweder nie zur Anzeige gebracht oder diese später zurückgezogen.

Das Gericht ging nicht von
einem Tötungsvorsatz aus

Verteidiger Hintzen wies in seinem Plädoyer darauf hin, dass es wohl widersinnig sei, dass der Angeklagte nur ein Cutter-Messer mit einer rund ein Zentimeter langen Klinge nehme, wenn er seine Frau wirklich umbringen wollte. Denn in der Küche habe es auch ein langes scharfes Küchenmesser gegeben. „Er will zurück zu seiner Frau und da bringt es wenig, sie umzubringen.“ Entscheidend sei, dass es keinen Stich und keinen Schnitt gegeben habe. In der Tat hatte eine Rechtsmedizinerin bestätigt, dass es nur zwei kleine punktförmige und einen winkelförmigen Schnitt gab — nur sehr oberflächlich, wie bei einer Drohung. Die Vorgehensweise, seine Frau mit einem Messer von sich zu überzeugen, sei sicherlich nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Aber auch dazu habe ein psychiatrischer Gutachter gesagt, dass die geistigen Voraussetzungen des Angeklagten „eher dürftig“ gewesen seien, so Hintzen.

Letztlich ging auch das Gericht nicht von einem Tötungsvorsatz aus. Allerdings ließen die Gesamtumstände der Tat es nicht zu, den bisher nicht vorbestraften Angeklagten mit einer Bewährungsstrafe davon kommen zu lassen. Da bestehe die Gefahr, dass er schon morgen wieder bei seiner Frau vor der Tür stehe, so das Gericht. sp